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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Flacke
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verkauften heilende Substanzen, Potenzmittel und sogar Verjüngungsmittel für ältliche Mesdemoiselles. Sein Ruf war ihm längst über die Alpen vorausgeeilt, denn als sie italienische Städte wie Savona, Mailand und Venedig durchwanderten, wurde er zu hochgestellten Persönlichkeiten an Höfen, in Palästen und Schlössern geladen, um Horoskope zu erstellen und einen Blick in die Zukunft zu wagen. Auch suchte er Begegnungen zu Künstlern, Philosophen und Weisen, die Einblick in geheimes Wissen hatten. Hatte nicht ein gewisser Leonardo da Vinci herausragende Studien über den menschlichen Körper angefertigt? Heimlich hatte er Leichen seziert, um Kenntnis darüber zu erlangen, wie das Auge arbeitet und die Welt umarmt, und dass verstopfte Arterien zum Tode führen. Als Erster hatte er auf Papier das Wachsen eines menschlichen Embryos im Mutterleib nachgezeichnet. Und hatte er nicht ein Gemälde verfasst, das voller geheimer Symbolik war? Warum saß bei dem »Letzten Abendmahl« zwischen all den Jüngern ein hübsches Weib mit langem Haar neben Jesus und nicht sein Lieblingsjünger Johannes? Sollte das Maria Magdalena sein, die Schutzpatronin der Provence, der nachgesagt wurde, dass sie mit einem Segelschiff nach Südfrankreich gesegelt und dort mit ihrer Tochter Sarah an Land gegangen war? War Sarah tatsächlich die Tochter Jesus’, die den Heiligen Gral verkörperte? War ihr Körper der Kelch, in dem le sanggral, le sang royal, das ›heilige Blut‹, floss, wie die Tempelritter und Katharer es behaupteten?
     
     
    Endlich wandten sich Nostradamus und Marie wieder Südfrankreich zu und gelangten nach Bordeaux, einer Küstenstadt am atlantischen Meer. Marie hatte inzwischen gelernt, juckende Hautausschläge, Schwellungen und Knochenschmerzen zu behandeln. Sie hatte dafür Guajakholz aufgetrieben, dessen Sud Linderung und Heilung bot. Außerdem sollte es gegen eine neu auftretende Geschlechtskrankheit Wirkung zeigen, die Seefahrer aus Westindien eingeschleppt hatten. Marie wusste sogar klaffende Wunden mit feinstem Seidengarn zuzunähen. Manchmal krauchte sie durch altes Gemäuer und sammelte Spinnweben, die sie mit altem Brot zu einem Breiumschlag verrührte. Damit wurde einer übel riechenden Schwäre der Eiter entzogen und diese anschließend ausgetrocknet.
    In Bordeaux suchten sie sich in der Nähe des Parlamentsgebäudes in einer schmalen Seitenstraße eine Unterkunft. Nostradamus fieberte nach einer kleinen Kammer, wo er heimlich Selbststudien betreiben und Aufzeichnungen verfertigen konnte. Er war getrieben von quälender Ungeduld, endlich hinter die brüchige Fassade seiner Visionen schauen zu können. Immer wieder wurde er von überwältigenden Bildern, die in rasanter Geschwindigkeit auf ihn einstürmten, in andere Zeiten gewirbelt. Auch drängte ihn die Antwort auf die Frage, wann genau diese Ereignisse stattfinden sollten.
    Marie verkaufte auf dem Marktplatz Schönheitsmittel und delikate Konfitüren, die Nostradamus aus ungewöhnlichsten Zutaten bereitet hatte. Schon nach kurzer Zeit war ihr Stand von fein gekleideten Dienstmägden und dicklichen Bauersfrauen umlagert, die neue Köstlichkeiten erstehen wollten. Ein gedrungener Seefahrer zwirbelte an seinem dünnen Schnauzbart, während er die narbige Hand über einen langen italienischen Dolch namens sfondagiaco hielt, der in einer Lederscheide steckte.
    »Ich nehme von der Köstlichkeit da«, grunzte er genüsslich. »Wie nennt Ihr es? Marzipan?«
    »Was ist denn in diesem Tiegel?«, fragte ein stämmiger Handelskaufmann mit kehliger Stimme und deutete mit seinem dicklichen Zeigefinger auf einen Glasbehälter.
    »Das ist ein Muskatellerbirnchen, in Madeirazucker eingemacht«, antwortete Marie und lachte.
    Ein Bettler mit Krücken leckte sich über die Lippen, Straßenkinder schauten sehnsüchtig auf die Leckereien und wischten sich mit ihren schmuddeligen Ärmeln die Spucke vom Mund. Die Menschen schienen in eine Art Kaufrausch verfallen zu sein. Marie hatte zweimal Nachschub holen müssen und schon wieder wurde der Vorrat für die Kauflustigen knapp. An anderen Ständen wurden Krüge mit köstlichstem Bordeauxwein weitergereicht und breithüftige Dirnen machten beste Geschäfte. Ein junger Maler stand gegenüber an einem der steinernen Pfeiler der Kirche Saint-Michel, deren Turm sich hundertvierzehn Meter hoch streckte, und bot frisch getrocknete Ölgemälde zum Kauf. Auf einem war ein nacktes Weib zu sehen, das wie in Ekstase über eine Blumenwiese

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