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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Flacke
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Fingern. »Jedes Stück Land hat eine Seele«, sagte er leise, während er wie durch ein Zeitloch hinunter auf die sonnenbeschienene Ebene schaute. Es war, als müsste er ein Aufschluchzen unterdrücken. »Wenn du krank bist, wenn deine Seele Hilfe braucht, solltest du das Land deiner Kindheit aufsuchen. Hier kannst du gesunden. Aus dieser Erde stammen die Früchte, das Fleisch und das Gemüse, aus denen dein Körper gewachsen ist. Aus diesen Substanzen haben sich deine Knochen gebildet, das Blut, die Gedärme, das Hirn…«
    »Ihr wisst von Gedärmen und Hirn?«, fragte Marie zaghaft.
    Nostradamus nickte. »Als ich in Montpellier Medizin studiert habe, wurde jedes Jahr eine Leiche freigegeben, die seziert werden durfte…«
    »Ihr habt in die Körper von Toten hineingeschaut?« Marie schluckte.
    »Ja, denn nur das Wissen um die Dinge kann den Ursprung des Lebens, der Krankheit und des Todes ergründen.« Wieder ließ er Erdkrumen durch die Finger rieseln. »Du hast die Erde mit allen Mineralien, allen Essenzen in dich aufgenommen. Dein Körper kennt von Geburt an diese Stoffe und ist daran gewöhnt. Iss also das, was in dem Land deiner Kindertage wächst. Aber was noch schwerer wiegt: Deine Seele wird besänftigt, die Schwingung der Erde wird helfen, dich zu heilen. Schon Pythagoras ging davon aus, dass sich die Schöpfung unter der Himmelsschale des Mondes auf Resonanz gründet, alles ist Schwingung…«
    Alles ist Schwingung? Aber wie kann die Seele durch Schwingung geheilt werden? Marie spürte vergangene Bilder vor ihren Augen aufsteigen. Es war erst wenige Tage her, dass sie in blinder Verzweiflung durch die Felder geirrt war. Sie hätte in verzehrendem Schmerz davonlaufen können. Da stand sie plötzlich vor einer verfallenen Marienkapelle. Ein schmaler Weg führte zwischen zwei geborstenen Holzpfosten durch und schlängelte sich durch wucherndes Gestrüpp auf ein eisernes Tor zu, das nur noch lose in den Angeln hing. Die Bruchsteine der seitlichen Kapellenwand waren herausgebrochen. Bunte Glasscherben lagen wie letzte Erinnerungen auf dem Boden verstreut. Eine Madonnenfigur stand in trauriger Schönheit auf einem Steinsockel, ihre Augen starrten wie ausgebrannt zu ihr herüber. Vor der Kapelle lag eine weite Ebene, die sich Marie wie eine aufgehaltene Hand entgegenstreckte. Und plötzlich war da ein Gefühl des Wiedererkennens, als hätte sie hier vor ewigen Zeiten ein vollkommenes Glück erfahren. Eine unendliche Leichtigkeit war plötzlich durch ihren Körper geströmt und hatte sie mit tröstender Zärtlichkeit eingehüllt. Ob sich so die Seele eines Landes zeigte?
    Ihr Blick verlor sich aus den Ziegenhöhlen an kerzen-graden Zypressen vorbei in der Ferne, als sie plötzlich zwei Punkte wahrnahm, kaum größer als Gerstenkörner, die sich allmählich aus dem Violett der Lavendelfelder herausschälten. Ihre schattenhaften Umrisse wuchsen zu schwarz gekleideten Miniaturen, die sich in unendlicher Langsamkeit den Berghöhlen näherten. Marie kniff ein wenig die Augen zusammen. Das flirrende Licht, das über den weiten Feldern lag, schimmerte in den gebrochenen Farben des Universums durch ihre Wimpern. Endlich konnte sie die Gestalten ausmachen: Es waren zwei Wanderprediger, die in düstere Kutten gehüllt und deren Kapuzen tief in die Stirn gezogen waren.
    In diesem Moment atmete Nostradamus tief durch, als wollte er sich selbst neues Leben einhauchen. »Du musst von einem trunkenen Stern, von einem Stella dilutior berührt und ein wenig vom Einfluss eines Geistes berauscht sein…«, sagte er, als spräche er zu einem unsichtbaren Dritten.
    »Von einem trunkenen Stern?«, fragte Marte und schaute hoch in das strahlendblaue Firmament, wo sich am kristallnen Gewölbe ein zarter Hauch von Sichelmond zeigte.
    Das versteinerte Gesicht von Nostradamus schien sich ein wenig zu entspannen. »Ja, so nannte der große Arzt Paracelsus einen bestimmten Stand der Gestirne im Geburtshoroskop.«
    »Und gibt es bei euch so einen trunkenen Stern?« Marie schaute in seine Augen, die vielleicht nur durch eine dünne Haut von unendlichen Welten getrennt waren.
    »Wem diese Stellung der Planeten gegeben ist, der kann wahrhaft Großes vollbringen.« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Und jetzt komm, es ist Zeit. Wir müssen noch eine Unterkunft für die Nacht suchen. Und das Maultier braucht auch sein Futter.«
    Marie senkte verlegen den Blick. »Ich muss Euch noch etwas gestehen…«, stammelte sie mit zaghafter Stimme.

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