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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Flacke
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tanzte. An ihrer Hand führte sie ein grinsendes Skelett, das ihr seinen knochigen Schädel entgegenstreckte, um sie zu küssen. Auf einem zweiten Bild waren verzerrte Fratzen zu sehen, hohlwangige Kinder und blutende Leiber, aus denen Schlangen hervorkrochen.
    Marie fuhr es eiskalt über den Rücken. War doch der Tod auch in den Bildern ein ständiger Begleiter der Lebenden geworden! Nostradamus meinte ja, die Menschen könnten so lernen, was Leben bedeuten kann. Aus dem Leid könnte eine neue Vision von Hoffnung und Menschlichkeit erwachsen. Oder würde sich nur noch mehr Selbstsucht und Habgier in ihre Herzen schleichen?
    »Die Verjüngungscreme! Ich nehme die Verjüngungscreme«, unterbrach eine zeternde Stimme Maries Gedanken. Sie schaute in das verhärmte Gesicht einer Kaufmannsfrau, die ihr mit leberfleckigen Händen ein Geldstück entgegenstreckte.
    Neben dem Maler tanzte ausgelassen ein fahrender Vagant in einem blaugrünen Seidenkostüm, an dem flammenartige Fetzen herunterhingen. Bei jedem Luftsprung wirbelten sie auf, als wollten sie in unendlicher Leichtigkeit davonfliegen. Feuerspucker ließen gigantische Flammen hochzüngeln, während Weibsbilder, die von kräftigen Händen an den Hüften gepackt und durch die Luft gewirbelt wurden, ausgelassen quiekten und kreischten.
    An dem steinernen Wasserbrunnen stand ein Spielmann mit seiner Laute. Er lächelte still vor sich hin und wischte ein paar Krumen von seinem alten Wams. Der bläuliche Samt seiner Weste war verschossen. An einigen Stellen war er durchgescheuert wie die kahlen Stellen im Fell eines herumstreunenden Maultiers. Trotzdem war er noch immer mit letzten, schimmernden Perlen bestickt, von denen ein paar wie verloren an ihren Fäden herunterbaumelten. Zwischen den eingeschlitzten Ärmeln schimmerte Satin, der wohl von der Sonne verblichen war. Sein dunkles Haar fiel bis auf die Schultern, um die er einen Umhang aus grünem, mattseidenem Stoff geschlungen hatte.
    Jetzt stimmte er seine Laute. Die ersten gezupften Töne summten wie schwirrende Käfer zu Marie herüber. Er stellte seinen Fuß auf den Absatz des Steinbrunnens und erhob seine Stimme. Ein Lied klang über den Marktplatz, das sie erschaudern ließ. War das nicht die gleiche Tonfolge, die die kleine Suzanne einst gesummt hatte?
    »Ich hätte gerne das Töpfchen da«, unterbrach eine zaghafte Stimme ihre Gedanken. Marie schaute in das Gesicht eines jungen Mädchens, das wohl in ihrem Alter war. Sie wirkte wie ein verletzter Falter, ihr hübsches Gesicht war verschmutzt, die blonden Haare hingen ihr in Strähnen ins Gesicht. »Aber ich habe nur die paar Sous…«
    Marie schaute wieder zu dem Spielmann hinüber, der eine seltsame Aneinanderreihung von Tönen wie eine Offenbarung über die Köpfe der Menschen hinweggleiten ließ.
    »Das ist eine Motette für die heilige Ida«, lächelte das blonde Mädchen verlegen und hielt Marie immer noch die gerötete Hand mit den Münzen hin.
    »Du kennst das Lied?«, fragte Marie überrascht.
    »Der Spielmann hat es mir erzählt«, sagte das Mädchen mit gewissem Stolz. Sie versuchte zu lächeln, obwohl in ihren Augen eine unsägliche Trauer lag. »Er sagt, dass Lieder eine Seele haben und dass auch sie sich danach sehnen, für kurze Zeit im hellen Licht zu stehen, bevor sie wieder in die Stille eingehen.«
    Marie schaute zu dem Spielmann hinüber, der jetzt eine Estampida spielte, eins der uralten, tanzartigen Lieder vergangener Zeiten. An seiner Hand blitzte ein Goldring auf. War dort nicht ein seltsames Zeichen eingraviert? Marie blinzelte mit den Augen, konnte es aber nicht erkennen.
    »Was ist denn jetzt?«, knurrte ein behäbiger Bauer. »Wann geht es denn endlich weiter? Oder soll ich hier überwintern?«
    Marie zuckte mit den Achseln, während sie die Münzen in der schmutzigen Hand des Mädchens nachzählte. »Tut mir wirklich Leid, aber das reicht nicht…«
    Im gleichen Moment wurde die hohe Flügeltür der Kirche geöffnet und ein Prediger trat heraus. Marie duckte sich. Sie spürte, wie das Blut in ihren Adern pulsierte. Der Prediger trug einen schweren Mantel, die Kapuze war tief in die Stirn gezogen. Seine bleichen Lippen blieben unbeweglich. Im nächsten Moment war er zwischen Seefahrern und Händlern, die auf Karren Waren hinter sich herschleppten, untergetaucht. Hastig verpackte sie ihre Verkaufsware in einen Weidenkorb und rannte auf ihren nackten Füßen zurück zu ihrer Unterkunft.
    Sie huschte die schmale Stiege hoch zur

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