Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
Sommerzeit ein Mensch, würde sie rufen: „Wer ist diese Sonne, dass sie mir Vorschriften machen möchte! Ich bin die Zeit, die sagt, was es geschlagen hat! Ich bin der Bestimmer!“ Ein gewisser Hochmut wäre bei einer personifizierten Sommerzeit nicht zu vermeiden. Sie darf keine Zweifel haben und kann nicht mit den Leuten diskutieren, ob die Uhr Ende März nun vor-oder zurückgestellt wird. Sie müsste kompromisslos sein, auf den Tisch hauen und sagen: „Die Stunde zwischen zwei und drei fällt weg! So ist es! Feierabend! Wem das nicht passt, der kann sich ja im Keller einschließen und auf den Herbst warten! Er kann sich ein paar Fermionen und Bosonen kaufen und den Urknall nachstellen! Da ist man ein paar Monate beschäftigt.“
Ich sitze immer noch rum und stelle fest, dass es Spaß macht, sich vorzustellen, wie Phänomene als Personen aussehen würden. Der Winter wäre dick und irgendwie gemütlich, allerdings auch illusionslos und hart. Er duldet keine Widerworte. Sein Wahlspruch wäre „ora et labora“, schon weil er sich noch an die Gründerzeit derbenediktinischen Klöster erinnern kann, die diesen eher freudlosen Grundsatz im Spätmittelalter als Lebensregel kultivierten. Der Winter kann berichten, dass die Benediktiner nicht so empfindlich waren wie die Bischöfe vor allem im kirchlichen Stammland südlich der Alpen, diese verweichlichten Südländer, die in der kalten Jahreszeit in überheizten Räumen hockten und dem Rotwein frönten, während die benediktinischen Asketen nach dem Motto lebten: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du genommen. Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück.“ Solche Sätze gefallen dem Winter. Er mag es hart.
Ich persönlich finde eine gewisse Verweichlichung sehr sympathisch. Ich habe nie verstanden, wie das Wort „Warmduscher“ zum Schimpfwort werden konnte. Ich dusche immer warm, gerne sogar heiß, auch wenn es draußen 30 Grad sind. Jahreszeiten, die mit den harten Zeiten, mit Mönchtum und „ora et labora“ sympathisieren, können mir gestohlen bleiben. Ich mag den Sommer, von dem der Winter immer behauptet, er sei „wahrscheinlich schwul“. Mir ist die sexuelle Orientierung einer Jahreszeit egal. Der Sommer ist freundlich! Fertig. Frühjahr und Herbst sind gerade noch zu akzeptieren. Der Winter gehört entmachtet. Leider ist er wie die internationale Finanzwirtschaft. Ob man ihn mag oder nicht, er ist kaum wegzukriegen.
Der große Vorteil der warmen Jahreszeit ist: Im Sommer kann man draußen Geschlechtsverkehr haben. Leider passiert das viel zu selten. Man fragt Umstehende, wird aber häufig abschlägig beschieden. Das ist verständlich, vor allem, wenn man beim Antrag vergessen hat, sich vorzustellen. Wenigstens der Vorname des Partners sollte vorgeschlechtlicher Aktivität bekannt sein. Ich weiß, dass das altmodisch ist. Kenntnis des Namens ist heute nicht mehr unbedingt Voraussetzung für Körperkontakt. Aber ein bisschen Etikette sollte doch sein! Man sollte wenigstens nach dem Befinden fragen, bevor es losgeht.
Viele Menschen haben gar keinen Geschlechtsverkehr. Dann ist es egal, ob Sommer oder Winter ist. Für die anderen gilt in der warmen Jahreszeit: Raus jetzt und den Kaninchen nacheifern!
Kaninchen sind die Sinnbilder ungehemmter Sexualität. Das ist nicht unbedingt gerecht. Viel rastloser sind nämlich die Bonoboäffchen, die den ganzen Tag sexuell aktiv sind, die sogar ihre sozialen Konflikte in der Gruppe lösen, indem man sich gegenseitig die Geschlechtsorgane schubbert, reibt, knödelt und ineinandersteckt. Deswegen heißen die Tiere ja „Tiere“, weil sie sich wie solche benehmen, gut so! Jeder sollte tun, was er kann.
Bonoboäffchen sind übrigens unsere nächsten Verwandten. Sie sind genetisch zu 99 % mit uns identisch. Leider hat sich ihre Kulturtechnik bei uns nicht durchgesetzt. Und ich sage „leider“, obwohl ich mir über die Nachteile des Bonobo-Lifestyles durchaus im Klaren bin. Bei denen paart sich jeder mit jedem. Und wer ab und zu Bus fährt oder mit der S-Bahn, der weiß: Das will man gar nicht. Aber es gibt auch Fälle, in denen die Vorteile überwiegen würden. Beispiel:
Eine junge, schöne Frau wandelt in traumwandlerischer Sicherheit auf hohen Schuhen vor mir her. Der kurze Rock schwingt bei jedem Schritt im Wind. Das ebenmäßige, wohlgeformte Gesicht, leicht gebräunt, wird umspielt von blonden, langen Haaren, die immer wieder keck
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