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Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Nuhr
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Wohnzimmerscheibe kacken.
    Seine Gedanken kann ich nicht lesen, aber assoziieren. Sie stehen ihm auf der Stirn geschrieben und kehren sich nach außen. Er fragt sich, warum die Viecher überhaupt Namen haben sollen, als würden sie verstehen, wenn jemand nach ihnen ruft. Sie sind dumm wie Wurstbrote! Sie verdienen es nicht, mit Namen genannt zu werden! Vögel sind charakterlos. Dennoch tragen sie, obwohl es ganz offenbar sinnlos ist, Namen und sind deshalb in der Lage, unserem Quizkandidaten seinen wohlverdienten Gewinn zu versauen. Der Kandidat interpretiert dies als stille Aggression gegen seinen naturgegebenen Anspruch auf ein reiches und sorgloses Leben und wird zunehmend schlecht gelaunt.
    Er schüttelt den Kopf, als hätte er die Antwort eben noch gewusst. Dabei ist seine Erinnerung leer wie die Rub Al Chali, die Wüste, die das Zentrum der arabischen Halbinsel bildet, also sehr leer, ein Vakuum geradezu, denn nicht umsonst heißt „Rub Al Chali“ übersetzt das „leere Viertel“.
    Er war auf vieles vorbereitet. Er hat gebüffelt, sich noch einmal die größten Städte Chinas vergegenwärtigt und die Zehn Gebote auswendig gelernt. Mit Vögeln war nicht zu rechnen. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass die von irgendeiner Naturschutzorganisation zusammengefassten 30 häufigsten Singvogelarten unseres Vaterlandes die Namen chinesischer Millionenstädte tragen. Niemals, so erinnert sich unser Kandidat, hat jemand in seinem Beisein zum Himmel geschaut und ausgerufen: „Was fliegt da? Ist das nicht ein Shanghai? Ein Chengzhen? Oder der buntgefiederte Chongquing?“



BADEZIMMER
    Was uns wirklich vom Tier unterscheidet, ist unsere Fähigkeit, beim Duschen das Warmwasser auf exakte Wohlfühltemperatur einzustellen. Das kann sonst niemand im uns bekannten Universum. Selbst hochentwickelte Menschenaffen drehen mit ihren stark behaarten Pfoten das Thermostat immer wieder viel zu grobmotorisch hin und her und bewirken so, dass der Wärmegrad des Wassers ständig zwischen 89 und -2 Grad Celsius wechselt. So verbrühen sie sich zunächst die Birne, um sich im nächsten Moment zu wundern, dass ihnen Eiswürfel auf den Schädel prasseln. Dann fragen sie sich, ob schon wieder Eiszeit ist. Tiere sind manchmal blöder, als man glaubt.
    Wechselbäder sind, wenn man Dr. Kneipp Glauben schenkt, vielleicht gesund, aber ungemütlich. Der Homo sapiens, die Krone der Schöpfung und der Badgestaltung, steht 40 Minuten unter exakt 41 Grad warmem Wasser, erhöht dann noch einmal kurz auf 42, verfeuert dabei einen halben Klafter fossiler Brennstoffe und freut sich seines Daseins. Das Leben ist schön.
    Katzen säubern sich, indem sie sich das Fell lecken. Das geht auch, ist sogar umweltfreundlicher, aber für den gepflegten Mann keine Alternative.

Vögel sind Todgeweihte. Sie mögen ein Existenzrecht haben, aber dieses Recht beruht nur auf der allseits akzeptierten Willkürlichkeit der Vielfalt alles Lebenden. Unsere gefiederten Freunde existieren ausschließlich, weil sich niemand erbarmt, gegen ihr Dasein zu revoltieren, indem er nach oben gerichtete Selbstschussanlagen installiert, die alles vom Himmel holen, was nicht von Menschenhand gesteuert ist. Und wenn es doch einmal einen Hubschrauber erwischt oder ein Kleinflugzeug, was soll’s? Hauptsache, die Tauben sind weg! Drecksviecher! Und Tauben singen nicht mal!
    All dies geht unserem Kandidaten genau in jenem Moment durch den Kopf, in dem er daran erinnert wird, dass er sich in Kürze entscheiden muss. Er zermartert sich das Hirn. Einheimische Singvögel! Er entscheidet sich für den Kolibri. Eine gute Idee. Keine chinesische Großstadt jedenfalls.
    Die Antwort ist falsch. Die Drossel wäre ein guter Vogel gewesen, ein heimischer, singender dazu. Der Kolibri aber kommt nur in Amerika vor, gehört zur Familie der Trochillidae und verfügt über einen beeindruckend effektiven Stoffwechsel, der es ihm ermöglicht, mit einem viertel Gramm Nektar 100 Kilometer weit zu fliegen. Er verbraucht damit weniger als ein Fiat Panda! Allerdings ist er kein Vogel, der in der heimischen Fauna den Beruf des Sängers ausübt. Der Kandidat wird entlassen. Fahrtkosten werden erstattet. Sein Traum vom Leben in Saus und Braus ist geplatzt! Wir sind alle nur hineingeworfen in die Endlichkeit unserer Existenz. Das Leben ist grausam.
    Nur ein paar Fragen trennten unseren Rätselkönig in spe von der Realwerdung seiner Vision, einer Zukunft als Bewohner eines Swimmingpools, umringt von spärlich

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