Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
bekleideten Damen, Cocktails schlürfend, seine Vision einer lebenswerten, würdevollen Existenz.
Dieses Bild hatte sich ihm eingebrannt und, wie er nun leidvoll feststellen musste, die Namen der hiesigen Vogelwelt aus seinem Scheitellappen verdrängt. Nur zum Schlafen hätte er das Becken verlassen, um sich in sein riesiges Bett zurückzuziehen, fußballfeldgroß! Mit einem Seufzer stellt er fest: Ich habe den Beruf des Millionärs verpasst!
Kandidaten überschätzen häufig den Wert einer Million. Schon das Haus mit Swimmingpool und die ersten vier Wochen mit den ukrainischen Schönheiten hätten seinen Gewinn aufgefressen. Dazu wären weitere Bedienstete gekommen, Kellner beispielsweise. Man kann ja nicht für jeden Caipirinha das auf 34 Grad erhitzte Becken verlassen. Am Ende ist man reich, aber erkältet!
Und Putzhilfen! Teure Mätressen bringen keine Getränke und sind auch zum Putzen nur bedingt geeignet. Sie nehmen Feudel und Tablett nur deshalb in die Hand, weil sie beim Rollenspiel die Figur der Sklavin übernommen haben. Ein Palast aber braucht Pflege! Was tun, wenn ein einheimischer Singvogel auf die Teakholz-Liege kackt? Selbst wegmachen? Wie würdelos!
Es müsste ein Fernsehquiz geben, das nicht nur grenzenlosen materiellen Wohlstand ermöglicht, sondern ein sorgloses Leben im Allgemeinen, beispielsweise auch endlose Gesundheit. Was nützt mir ein Palast mit 50-Meter-Becken, wenn mir ein verbogener Knorpel oder eine empfindliche Blase das Schwimmen verbieten? Oder wenn die frischerworbene osteuropäische Lebenspartnerin die Freuden ihres rechtsstaatlich garantierten Unterhaltes kennen-und schätzen lernt? Endlose Sorglosigkeit – ist dieser Zustand überhaupt zu erreichen? Nicht mit einheimischen Singvögeln!
Wissen ist überschätzt. Rohstoffe! Das ist die Zukunft! Kein russischer Milliardär hat jemals seine Fotomodelle und Schmuckdesignerinnen mit der Kenntnis der heimischen Fauna in die Kiste gelotst. Öl! Das ist es!
Wer eine 179-Meter-Yacht mit 80 Bediensteten sein Eigen nennen möchte, sollte sich nicht darauf verlassen, dass er das Geld gewinnen wird, selbst wenn er weiß, dass Norwegen und Russland über eine gemeinsame Landgrenze von 196 Kilometern verfügen.
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Natürlich ist Wissen ein wichtiger Rohstoff. Dem Wissenden gehört die Welt. Oder um es weniger pauschal zu sagen: Dem gehört die Welt, der weiß, wo das Geld ist und wie man drankommt. Genau! So ist es! Schweinerei! Die Welt ist schlecht!
Ich stutze und denke: Aha! Die alten Reflexe sind noch da! Der alte Glaube an die Gemeinheit der Welt, die einzige Erklärung dafür, dass ich nicht der reichste Mann der Welt oder wenigstens König oder Diktator geworden bin. Da nur sehr wenige Menschen in den Zustand geraten, wirklich leitende Positionen zu bekleiden, müssen die anderen ihren Zustand mit der Ungerechtigkeit der Welt erklären, wollen sie vermeiden, die Schuld bei sich selbst suchen zu wollen. Und wer will das schon?
Deshalb ist am Ende immer das Geld schuld sowie dessen Besitzer, die Gesellschaft, der Zufall oder die Niedertracht. Natürlich ist das eine primitive Vereinfachung, eine Verballhornung der komplexen Realitäten und deshalb nicht die Wahrheit, aber heutzutage die populärste Perspektive auf das Weltgeschehen. Überall sind Oligarchen, deren einziger Vorteil es ist, skrupellos zu sein.
Leider ist es nicht so einfach. Sonst könnte man den Beruf des Oligarchen wahrscheinlich auf der Berufsschule lernen. Leider ist dort alles voller angehender Metzger, Maurer, Maler, Mechatroniker, Messerschmiede, Metalldesigner, Modisten und Molkereifachfrauen. Um am Ende Oligarch zu werden, muss man aber sehr viel melken. Sind wir ehrlich: zu viel.
Es ist eine interessante Frage, ob man, um reich zu werden, automatisch ein Drecksack werden muss. Und die Antwort auf diese Frage lautet: natürlich nicht. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, reich zu werden. Man kann Lottogewinner werden, Witzeerzähler, Fußballer, Musiker, Unternehmer, Erfinder oder Raubmörder. Interessanterweise ist die moralische Integrität in all diesen Berufen exakt gleich hoch wie unter Metzgern, Maurern oder Molkereifachfrauen. Einzige Ausnahme unter den Aufgezählten: der Raubmörder. Der Raubmörder ist ein zu Recht von der Industrie-und Handelskammer nicht anerkannter Lehrberuf und erfordert eine starke charakterliche Missbildung ähnlich der von Erpressern, Kriegstreibern oder Trickdieben. Die Ergreifung dieses Berufes ist moralisch
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