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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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sehen. Sie waren früh zu Bett gegangen und hatten wenig geschlafen.
    Am Morgen kam Meister Voss, um, wie er sagte, den Kindern noch ein wenig letzten Schliff zu geben, dann wuselte Mamsell Irene herbei, um beim Ankleiden zu helfen. Mit ihrer Hilfe verwandelten sich Lulu und Rafaela in zwei aufgeblasene, schweinchenrosafarbene Ballons und Bumbum in einen himmelblauen Zwerg mit dem Kuhfladen statt einer Zipfelmütze auf dem Kopf.
    »Süß!«, rief Mamsell Irene und quetschte sich zwei Tränchen aus den Augen. Auf Meister Voss’ Geheiß zwangen sich die Kinder ein Lächeln in die grimmigen Gesichter und zogen mit Graviata zusammen los. Ihre Mutter trug ein fliederfarbenes Kleid, da die Königin kein Rot vertragen konnte. Die Farbe war ihr zu aggressiv. Sie mochte nur Pastelltöne.
    »Hoffentlich sieht uns niemand«, stieß Rafaela zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Doch dieser Wunsch konnte natürlich nicht in Erfüllung gehen.
    Es war zwar noch ziemlich früh, aber in den Palastgärten waren schon sämtliche Gärtner und ihre Gehilfen bei der Arbeit, und Lulu glaubte förmlich zu spüren, wie sie hinter ihnen hergrinsten. Rafaela ging es nicht besser, sie war puterrot im Gesicht und das falsche Lächeln gerann ihr zur Grimasse.
    Sie waren zur Morgenaudienz bei der Königin geladen, was eine besondere Ehre sein sollte, jedoch nur bedeutete, dass sie mit noch ungefähr fünfzig anderen Frauen der Königin zusahen, wie diese aus dem Bett aufstand, ihren Morgenmantel anzog und, während sie frisiert und geschminkt wurde, ihren Kaffee trank und an besonders glückliche Anwesende das königliche Wort richtete. Zum Schluss sollten sie noch Zeugen sein, wie der König und der Kronprinz den Raum betraten, um der Gemahlin, beziehungsweise der Mutter, einen guten Morgen zu wünschen.
    Als Lulu zum ersten Mal von diesem Spektakel gehört hatte, hatte sie nicht glauben wollen, dass es das wirklich gab. Die Königin ließ sich bei so etwas Intimem wie dem Aufwachen zusehen? Sie ließ fünfzig Frauen, darunter auch völlig fremde, ihr verwuscheltes Haar sehen, ihre verklebten Augen, ließ sie ihren morgendlichen Mundgeruch riechen und an der Tatsache teilhaben, dass sie ganz dringend auf die Toilette musste? Unfassbar! Doch Wanda hatte sie beruhigt. Die Morgenaudienz war eine Fälschung, inszeniert für das Publikum. Die Königin stand eigentlich schon viel früher auf und erledigte das, was jeder am Morgen erledigen muss, um sich einigermaßen präsentabel herzurichten. Dann schlüpfte in ein besonders prachtvolles Nachtgewand, legte sich wieder ins Bett und wartete auf die fünfzig Frauen. Auf ein Zeichen traten die dann alle ein und taten so, als sei Ihre Majestät, schön wie ein Engel, gerade erst erwacht.
    Lulu dachte eigentlich, dass dies eine ziemlich dumme Schau sein müsste, aber wie sie jetzt so durch den Park ging und dem Palast immer näher kam, merkte sie doch, dass sie ganz gegen ihren Willen immer aufgeregter wurde und sich eigentlich auch ein bisschen auf das Schauspiel freute.
    Sie betraten den Palast über eine große, geschwungene Treppe, wo sie von einem Diener mit weiß gepuderter Perücke und weißgoldener Livree empfangen wurden. Der verbeugte sich vor ihnen, nicht zu tief, sonst hätte er seine Perücke verloren, dann schritt er würdevoll voraus durch eine gläserne Tür in einen lang gestreckten Saal, ganz und gar in Weiß und Gold gehalten, durch eine weitere Tür in eine Halle, wo er sie vor einer breiten Treppe einem anderen Livrierten übergab. »Madame Graviata mit ihren Kindern zur Morgenaudienz der Königin«, sagte er. Der Neue verbeugte sich, wiederholte die Worte seines Kollegen haargenau und schritt nun seinerseits vor ihnen her, die Treppe hinauf, über eine Galerie, zu einer Flügeltür. Hier wiederholte sich die Prozedur. Diener Nummer drei nahm sie in Empfang, öffnete die Tür und geleitete sie durch ein Zimmer, durch ein weiteres Zimmer und noch eines.
    Lulu hatte sich fest vorgenommen, sich alles einzuprägen, um Damiano und später ihren Freunden im Wald genau Bericht erstatten zu können, doch ihr wurde ganz schwindelig von all den goldenen Treppen und Fluren. Überall standen Leute herum, Männer und Frauen, prachtvoll aufgetakelt, Soldaten in Uniform mit goldenen Medaillons auf der Brust und Helmen mit merkwürdigen Federbüscheln, die sie im Arm trugen statt auf dem Kopf. Diener schritten einher oder standen würdevoll in Ecken oder vor Türen und öffneten Letztere mit dem

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