Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
Vom Netzwerk:
immer gleichen Spruch: »Madame Graviata mit ihren Kindern zur Morgenaudienz der Königin«.
    Endlich ging es nicht mehr weiter. Sie gelangten in ein ziemlich kleines Zimmer, das schon reichlich überfüllt war mit lauter Frauen. Eng zusammengepfercht standen sie und warteten, zum Sitzen gab es nichts. Die Luft wurde schlecht. Die Frau neben Lulu, eine ziemlich dicke in einem rosa-weiß geblümten Kleid, schnaufte schwer und tupfte sich mit einem Tuch den Schweiß vom Gesicht.
    »Letzte Woche ist die kleine Durane ohnmächtig geworden«, raunte sie ihrer Nachbarin zu.
    »Ihre Majestät ist sehr großzügig«, flüsterte die andere zurück. »Es dürfen immer mehr Leute aus dem Volk dazukommen. Das verdirbt die Luft.«
    Die Dicke nickte und versuchte ihren Fächer zum Einsatz zu bringen, aber sie hatte keinen Platz zum Wedeln. Ihr Gesicht glänzte wie eine Speckschwarte und wurde unter der Schminke immer röter. Sie sieht aus wie ein Schwein, dachte Lulu boshaft.
    Aber dann war es endlich so weit. Die Flügeltüren auf der anderen Seite des Raumes öffneten sich, Licht und Luft strömten herein.
    »Ihre Majestät, Königin Feline von Nordland , bittet zur Morgenaudienz«, sagte eine Stimme, und eine Frau in Schwarz, aufrecht wie ein Soldat, erschien in der Türöffnung. Sie hatte einen Kneifer auf der Nase und begann, die Namen der Geladenen von einer Liste abzulesen. »Madame Graviata und ihre Kinder« waren so ungefähr die Nummer zehn.
    Sie betraten einen sehr großen, hellen Raum in Weiß und Gold. Er war äußerst spärlich möbliert, eigentlich enthielt er nur ein riesiges, goldenes Himmelbett, das dicht mit weißen Vorhängen verhüllt war. Alle Frauen postierten sich im Halbkreis um das Bett. Lulu stellte fest, dass es nicht egal war, unter welcher Nummer man aufgerufen wurde; die Nummer bestimmte den Platz, auf dem man stand, und somit den Blick, den man hatte. Sie hatten einen sehr guten Blick, standen der Breitseite des Bettes direkt gegenüber. Die Schweinefrau und ihre Freundin hatten mit dem Fußende vorliebnehmen müssen. Geschieht ihr recht, dachte Lulu zufrieden.
    Das Bett war übrigens doch nicht das einzige Möbelstück. Es war nur so beherrschend, dass man eine Weile brauchte, um den Polstersessel daneben und die Spiegelkonsole zu bemerken, auf der eine Batterie goldener Döschen und Fläschchen glänzte, sowie ein goldenes Kaffeegeschirr. Endlich hatten alle Geladenen ihre Plätze eingenommen. Die Dame in Schwarz zeigte, völlig willkürlich, wie es Lulu schien, nacheinander auf drei Frauen. Diese verließen glückstrahlend den Kreis, zwei packten die Vorhänge und die dritte ein weißes, wolkenähnliches Gewand, das auf dem Sessel bereitlag. Die schwarze Dame nickte und die Frauen zogen die Vorhänge auf.
    »Guten Morgen, Eure Majestät«, zwitscherten sie.
    Zuerst schien alles ganz normal. Eine Gestalt lag auf dem Rücken im Bett und setzte sich nun mit einer anmutigen Bewegung auf. Die Königin wandte sich lächelnd zu ihren Gästen und blickte in lauter weiße, schreckensstarre Gesichter. Niemand war fähig, einen Ton von sich zu geben, niemand war fähig, auch nur zu atmen: Die Königin war über und über von hässlichen roten Pusteln bedeckt, ihr Gesicht, ihr Hals, ihre Arme, alles, was man von ihr sah, war grässlich entstellt.
    »Was …«, stammelte sie, dann sah sie ihre Hände, ihre Arme, schwenkte sie ein paar Augenblicke auf und ab wie gebrochene Flügel, presste die Hand auf den Mund, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihr ein zittriger Jammerlaut entfuhr, kam irgendwie auf die Füße und tat einen Schritt auf die Spiegelkonsole zu.
    »Nein!«, rief Graviata und wollte sie zurückhalten, doch mit unerwarteter Kraft stieß die Königin sie zur Seite und sah in den Spiegel. Sie schrie nicht, es war schlimmer. Gurgelnde Laute drangen aus ihrem Mund, sie stammelte hilflos Worte, die niemand verstand, sank in den Sessel, starrte weiter in den Spiegel, griff mit beiden Händen in ihr Haar, zog verzweifelt daran, als wolle sie sich mit aller Kraft aus dem Albtraum, in dem sie sich gefangen glaubte, herausziehen. Da geschah etwas fast noch Schlimmeres: Ihr Haar, ihr schönes goldblondes Haar löste sich, büschelweise hielt sie es in den Händen. Und da schrie sie doch, einmal nur, kurz und hoch, dann brach sie ohnmächtig zusammen.
    Stumm standen die Frauen da, doch dann schrien auch sie, schrill und schrecklich, rannten aus dem Zimmer, einige fielen in Ohnmacht, andere stolperten über

Weitere Kostenlose Bücher