Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
sich mit dem von Holzfeuer. Graviata hatte in ihrem Labor den Kamin entzündet.
7. Kapitel
D ie nächsten Tage waren von der immer gleichen Routine erfüllt. Morgens kam Meister Voss und blieb bis kurz vor dem Mittagessen. Er brachte ihnen bei, oder besser gesagt, er versuchte ihnen beizubringen, wie man sprach, wenn man bei der königlichen Familie zu einer Audienz geladen war, wie man schaute, wenn man von einem Mitglied der königlichen Familie, insbesondere der Königin, angesprochen wurde, wie man ihr antwortete, wie man stets und immer an alles, was man sagte, »Eure Majestät« anhängen musste, dass man die Augen gesenkt hielt, wann man sie ausnahmsweise heben durfte, wann man sie sogar heben musste und so weiter und so fort. Er brachte einen Tanzlehrer mit, der ihnen jedoch nicht das Tanzen, sondern das grazile Schreiten, vorwärts und rückwärts, sowie, ganz wichtig natürlich, den Hofknicks beibrachte.
Mamsell Irene kam und brachte die Kleider zur Anprobe, was Rafaela jedes Mal in stumme Wut versetzte. Sie versuchte die Arbeit der Mamsell zu hintertreiben, indem sie ihren Bauch mal zu einem Ballon aufblies und ihn dann wieder einzog. Einmal polsterte sie sich mit Tüchern aus, einmal ließ sie sich von Wanda in ein Schnürleibchen pressen, doch sie erreichte damit nur, dass sie noch mehr Anproben über sich ergehen lassen musste. Lulu waren Kleider eigentlich egal, sie stellte nur zwei Ansprüche: Sie durften nicht unbequem und nicht scheußlich sein, doch Mamsell Irenes Werke wurden selbst diesen minimalen Anforderungen nicht gerecht. Es waren zwei mit Rüschen und Schleifen versehene Monstrositäten in Schweinchenrosa. Und Bumbums kleiner Anzug war auch nicht besser: himmelschreiend blau mit kurzen Hosen, an denen unten weiße Spitzen hervorschauten. Das Schlimmste war die Kappe. Sie saß auf seinem dicken Kleinkinderkopf wie ein blauer Kuhfladen.
Bloß gut, dass wir die Sachen nicht oft tragen müssen, dachte Lulu.
Die Nachmittage allerdings entschädigten die Kinder. Manfredo hatte einen kleinen Wagen gezimmert, in den sie Bumbum und seine Ente hineinsetzten, manchmal packten sie auch Kralle und Murks dazu, der Captain lief nebenher. Corina erwartete sie auf der Mauer zur Gesindesiedlung und gemeinsam zogen sie los.
Sie waren bald bekannt in der Stadt. »Da kommen die Hexenkinder mit ihren Tieren«, tuschelten die Leute, doch die meisten waren nett, winkten und lachten ihnen zu, und von den Marktleuten bekamen sie oft kleine Geschenke. Vor allem Bumbum wurde verwöhnt. Es war lustig auf dem Markt, meistens jedenfalls. Viele Leute kamen zum Stand, um einen Blick auf die Kinder der berühmten Palasthexe Graviata zu werfen, und viele kauften dann auch eine Kleinigkeit.
Nanette jubelte, wenn es in der Kasse klingelte. »Damianito, deine kleinen Schwestern sind bezaubernd«, zwitscherte sie und kicherte über ihr Wortspiel von wegen bezaubernd und zaubern und Hexenkinder. Tja, Nanette, sie war wirklich liebenswert, das mussten Lulu und Rafaela eingestehen. So hübsch, so lebensfroh, ihr Lachen war das ansteckendste, das Lulu je gehört hatte. Man konnte ihr einfach nicht böse sein. Wenn sie lachte, musste man mit ihr lachen. Außerdem war sie großzügig, sie schenkte den Mädchen Silberschmuck und Bumbum ein kleines Kochgeschirr, in dem er Mahlzeiten für seine Ente zubereiten konnte. Und erst ihr Haar! Lulu war hin und weg von dieser honigfarbenen, schweren Pracht. Sie hätte ihre Seele verkauft für solche Haare. Hin und wieder, wenn nicht viel zu tun war, durfte Lulu sie bürsten. Lulu liebte das, und Nanette liebte es, bewundert zu werden. Sie bekam reichlich Bewunderung, von Lulu, von Bumbum, etwas widerwillige von Rafaela und grenzenlose von Damiano. Doch manchmal, und da lag das Problem, manchmal genügte Nanette das nicht. Dann holte sie sich noch mehr Bewunderung bei anderen Leuten, und wie Rafaela bissig bemerkte, ausschließlich bei reichen Männern.
Das waren dann die weniger lustigen Nachmittage. Damiano versank in hilflos wütendem Brüten, fluchte mit zusammengebissenen Zähnen, dass er es eines Tages diesen reichen Idioten heimzahlen würde, und versetzte seine Schwestern mit dieser Drohung in Angst und Schrecken. Doch dann kam Nanette zurück, lachend, fröhlich, als sei nichts gewesen, setzte sich auf seinen Schoß, küsste ihn, versicherte ihm, dass sie ihn liebe, nur ihn, ihren Damianito, und warf eine Goldmünze in die Kasse.
»Für unser Winterquartier«, rief sie und
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