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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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löste und lautlos wie eine Katze auf sie zusprang.
    »Endlich«, raunte sie, »ich wollte gerade aufgeben. Dachte, ihr hättet es nicht geschafft.« Es war Wanda.
    »He, du hat uns erschr…«, rief Lulu, doch Wanda hielt ihr den Mund zu.
    »Still!«, flüsterte sie und zog die beiden in den Schatten der Hauswand, aus dem sie gerade getreten war. »Still«, beschwor sie die Mädchen noch einmal.
    Die Wachsoldaten, deren Schritte sie eben gehört hatten, befanden sich am gegenüberliegenden Ende des Platzes. Mit Fackeln leuchteten sie in alle Ecken und Hauseingänge. Lulu klopfte das Herz bis zum Hals. Sie presste sich an den kalten Stein der Mauer, als hoffte sie, mit ihm verschmelzen zu können.
    Sie hatten Glück. In einer der Seitengassen schrie jemand schrill auf und eilige Schritte klopften über das Pflaster. Jemand rannte weg, die Wachen stürmten hinterher.
    »Jetzt!«, befahl Wanda, packte die Mädchen bei der Hand, hastete mit ihnen ein Stück am Rand des Platzes entlang und zog sie dann in einen stockdunklen Hauseingang. Sie fummelte an etwas herum, zündete eine kleine Laterne an und beleuchtete wenige Schritte eines langen, schmuddeligen Korridors. Sein Ende verlor sich im Dunkel.
    »Weiter!«, kommandierte Wanda atemlos.
    »Sag uns erst, was los ist!«, keuchte Rafaela.
    Wanda schnaufte ungeduldig. »Die Wache ist hinter euch her.Und hinter mir.« Sie lauschte nach draußen. Die herrischen Schritte schienen sich zu nähern. »Sie kommen! Nichts wie weg!«
    Wanda rannte los, rannte, ohne sich umzusehen, und Lulu und Rafaela hetzten hinter ihr her, hinter dem schwankenden, schummrigen Laternenlicht durch den Flur, über einen Hinterhof. Sie stolperten in ein anderes Haus hinein, rannten durch einen weiteren Flur, über einen anderen Hof, kletterten über einen Zaun, fielen über Balken, Bretter und Mülltonnen, rissen sich Haken in die Kleider und Risse in die Haut, stießen einen Hühnerkäfig um und das Gegacker folgte ihnen über drei weitere Höfe. Weder Lulu noch Rafaela hatten eine Ahnung, in welche Richtung sie liefen und warum sie überhaupt liefen, aber sie hofften, dass Wanda es wusste.
    Sie erreichten eine Treppe, stürmten hinunter in einen Schacht oder Keller, wo Wanda einen Eisenring im Boden packte und ihn dreimal hintereinander klirrend fallen ließ. Dann trat sie zurück.
    Erst geschah gar nichts, doch dann wackelte ein Stück Boden, schmatzend hob sich ein Metalldeckel, in dessen Mitte der Eisenring saß, und der Deckel wurde ein wenig zur Seite geschoben. Warme Dämpfe und üble Gerüche stiegen herauf, dann ein Gesicht, eine Hand, die eine Laterne schwenkte und einem Zwerg zu gehören schien. Der Zwerg winkte kurz und verschwand wieder im stinkigen Dunkel.
    »Los!«, kommandierte Wanda.
    »Da hinunter?«, fragte Rafaela ungläubig.
    Wanda nickte und trat vor Ungeduld von einem Fuß auf den anderen. »Nun macht schon. Es ist nicht gefährlich, bloß ein bisschen eklig.«
    Ohne noch weiter auf das Zögern der Schwestern einzugehen, drückte sie Rafaela die Laterne in die Hand und machte sich an den Abstieg.
    Lulu und Rafaela standen ratlos da. Sie wollten nicht in das stinkige Loch steigen, doch drüben, jenseits einiger Hofbegrenzungen, gackerten immer noch die Hühner. Ein paar Fenster waren aufgegangen, aufgeregte Worte hallten von Haus zu Haus und endlich – erst zaghaft, dann immer lauter – der Ruf nach der Wache. Sie hatten keine Wahl, hangelten sich an schmierigen Sprossen hinunter in die Tiefe. Dunkel war es, feucht und glitschig. Irgendwo rauschte Wasser und es stank zum Umfallen.
    »Willkommen in den Abwasserkanälen. Das ist Dven. Er wird uns führen«, sagte Wanda.
    Dven war kein Zwerg, wie Lulu zuerst geglaubt hatte, er war ein Junge, ungefähr so alt wie sie selbst, doch mit dem Gesicht eines Greises. Flink krabbelte er die Leiter wieder hoch, zog einen Metallstab aus der Tasche, passte ihn irgendwie in den Deckel ein und zog ihn mit Schwung zu. Es sah ganz leicht aus.
    »Jet kriegen die und nit mehr«, stammelte Dven und grinste zufrieden. Sein altes Gesicht war so bleich und so schmutzig wie der Schnee vom letzten Jahr.
    Schwachsinnig, dachte Lulu. Wanda hat sich mit einem Schwachsinnigen eingelassen.
    Dicht neben ihnen rauschte eine Art Bach. Rafaela beleuchtete ihn mit der Laterne, aber nur sehr kurz. Schnell zog sie die Laterne zurück und ließ den Bach im Dunkel weiterrauschen. Es schwammen zu viele Sachen in dieser Brühe, von denen man nicht wissen wollte, was

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