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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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nur ein Kuss!
    Lulu stupste sie. »Mach schon, Lockenköpfchen«, raunte sie, »gib ihm seinen Kuss. Tu’s für Mano!«
    Da straffte Rafaela die Schultern, ging einen Schritt vor, hielt die Luft an, kniff die Augen zu, spitzte den Mund und hielt ihn dem Wärter entgegen. Der packte sie, drückte sie an sich, so fest, dass sie nach Luft schnappte und erschrocken Augen und Mund aufriss. Dann presste er seinen Mund auf ihren, ganz fest, ganz lange. Rafaela wand sich und versuchte freizukommen, aber er hielt sie immer weiter und ließ seinen Mund auf ihrem, als wollte er sie fressen oder aussaugen. So hatte sich Lulu das nicht vorgestellt. Sie holte aus, um dem Kerl in den Hintern zu treten, da ließ er Rafaela frei. Würgend rannte sie hinaus und man hörte sie draußen heftig spucken. Hanno wischte sich den Mund, stand breitbeinig da und grinste. Seine Freunde johlten.
    »Das Fenster!«, rief Lulu.
    Sie grölten weiter, ohne sie zu beachten.
    »Das Fenster!«, schrie Lulu und stampfte mit dem Fuß auf. Sie war schrecklich wütend. Wenn es irgendeinen Weg gegeben hätte, sie allesamt umzubringen, sie hätte es getan, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Endlich nahm Hanno Notiz von ihr. »Dritte Reihe, Nummer einundzwanzig«, sagte er, ohne nachzudenken.
    »Stimmt das auch?«, fragte Lulu.
    »Ehrenwort, Rabenmädchen«, sagte Hanno, rollte die Augen zum Himmel und legte eine Hand auf sein Herz. Die anderen lachten wieder.
    Draußen übergab Rafaela sich immer noch. »Komm schon!«, rief sie zwischen zwei Anfällen.
    Lulu ging zur Tür, überlegte es sich aber anders. »Ich bin kein Rabenmädchen«, sagte sie zu Hanno. »Aber du warst nah dran, ich bin ein Krähenmädchen. Weißt du auch, warum?
    »Weil du wie eine Krähe aussiehst?«, gluckste Hanno.
    »Weil die Krähen meine Freunde sind!«, belehrte ihn Lulu. »Mindestens eine von ihnen begleitet mich immer. Und sie tun, was ich ihnen sage. Immer. Wenn du gelogen hast und uns das falsche Fenster genannt hast, werde ich ihnen befehlen, dir ein Auge auszuhacken. Sie werden es tun. Sie lieben es, Augen auszuhacken. Ehrlich gesagt gibt es nichts, was sie lieber tun. Ein paar von ihnen kannst du vielleicht abschießen, fünf oder zehn. Aber niemals alle. Und du kannst dich auch nicht vor ihnen verstecken. Sie sind überall und sie werden dich kriegen. Sie werden dir ein Auge aushacken. Nur eins. Ein Auge für eine Lüge. Das ist nicht so schlimm. Du hast ja dann immer noch das andere, falls sie rechtzeitig aufhören. Sie kommen manchmal in so eine Art Rausch. Einen Augenrausch! Da kann man nichts machen.«
    »Krah!«, schrie Corina markerschütternd.
    Hanno erschrak furchtbar, seine Kollegen genauso. Während Lulus Rede war es mucksmäuschenstill gewesen. Sie hatten gelauscht, wie kleine Buben, denen man Gruselmärchen erzählt. Und sie machten auch genau solche Gesichter.
    Hanno schluckte schwer. »Einen Augenblick«, sagte er rau. »Ich seh zur Sicherheit noch mal nach.«
    Er ging zum Tisch, zündete eine Kerze an und studierte mit seinen Genossen eine Art Plan auf einer Tafel, die über dem Tisch an der Wand hing.
    »Damiano«, murmelte er, »Sohn der Palasthexe Gravatana.«
    »Graviata«, verbesserte Lulu.
    Er suchte und murmelte und überlegte. Seine Kumpane halfen ihm, sie zählten Reihen ab.
    »Ich habe nicht ewig Zeit«, sagte Lulu.
    »Es ist nicht gerade leicht, was du von uns verlangst«, maulte Hanno.
    Aber endlich waren sie zu einem Ergebnis gekommen. »Reihe vier von unten, das vierzehnte Fenster vom Korridorfenster über dem Tor, gezählt nach links«, verkündete Hanno und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Vierte Reihe, vierzehntes Fenster, links. Danke!«
    Lulu stürmte aus dem Haus. Sie packte Rafaela an der Hand und zog sie auf die Straße. Genau gegenüber vom Tor stellte sie sich auf und begann zu zählen. Es wurde höchste Zeit. Mittlerweile war es so dunkel, dass ihr die Augen vor Anstrengung tränten.
    Vier große Fenster über dem Tor und vierzehn kleine nach links. Sie zählte nicht mehr nach, es war zu dunkel. Sie fixierte den winzigen schwarzen Punkt im Dunkelgrau des Felsens, während Corina das Amulett aus Rafaelas Hand pickte und aufflog. Mit dem allerletzten Dämmerlicht erreichte sie das Fenster und schlüpfte durch die Gitter. Wenig später saß sie wieder auf Lulus Schulter.
    »Und?«, fragte Rafaela gespannt.
    Lulu nickte. »Es war das richtige Fenster. Mano hat das Amulett um den Hals gelegt.«
    »Na, herzlichen Dank auch«, sagte

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