Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
ein hässliches rosa Rüschenkleid. Dann war ganz furchtbar viel passiert, und sie hatte gedacht, schlimmer könne es nicht kommen, aber es war schlimmer gekommen, da war sie sich leider ziemlich sicher. Rafaela auch, sie unterhielt sich weiter mit Wanda über Pferde, aber sie hatten beide nicht viel Ahnung von Pferden und so stockte das Gespräch sehr bald. Einer musste den Anfang machen.
»Warum sind wir hier, Wanda?«, fragte Lulu. »Was ist geschehen?«
»Habt ihr Hunger?«, wich Wanda aus. »Durst?«
Rafaela und Lulu schüttelten den Kopf.
»Erzähl einfach«, sagte Rafaela.
»Also gut«, gab Wanda nach und setzte sich zurecht. »Aber ihr müsst bedenken, dass ich bei den meisten Sachen, die passiert sind, nicht dabei war. Es ist also fast alles Klatsch aus dem Palast. Bloß bin ich leider ziemlich sicher, dass er stimmt.
Ihr wisst ja, was der Königin passiert ist, wie sie aussah, meine ich, und was für ein Durcheinander dann losgebrochen ist. Kurz nachdem ihr das Zimmer mit dem großen Himmelbett verlassen habt, kam die Palastwache und scheuchte alle Frauen hinaus. Alle, außer Graviata. Die Wache berichtete, dass der Kronprinz von der gleichen Krankheit befallen sei wie seine Mutter, und Graviata rief, dass eine andere Hexe im Palast sein müsse, denn so ein böser Zauber wirke nur durch direkten Kontakt. Sie sollten sofort das gesamte Schloss durchsuchen. Aber die Wache weigerte sich. Es sei keine Hexe im Schloss außer Graviata selbst.
Da ließ eure Mutter den Prinzen und die Königin in ihr persönliches Arbeitszimmer im Palast bringen und schloss sich dort mit ihnen ein. Aber die halbe Dienerschaft lauschte natürlich an der Tür. Graviata hantierte mit ihren Sachen, man hörte es klirren und scheppern, und es roch nach verbranntem Zeug, nach Kräutern und all so was. Immer wieder fragte sie die Kranken, ob sie auch wirklich nie ihre Fläschchen mit dem Schutzpulver aus der Hand gegeben hätten, bestimmt hundert Mal fragte sie das, und immer wieder schrien und heulten die beiden bloß oder weinten ganz herzzerreißend. Es war, sagte meine Kusine, die draußen an der Tür stand, als ob der Prinz und die Königin das Sprechen verlernt hätten, als ob sie bloß noch wie kleine Kinder brabbeln und heulen konnten. Vielleicht, meinte meine Kusine, sind die Geschwüre schon ins Gehirn gewandert und zersetzen es nun.«
»Nein«, hauchte Lulu.
Wanda nickte gewichtig. »Und zur gleichen Zeit«, fuhr sie fort, »tobte der König durch die Gänge und schrie: ›Wenn ein solch böser Hexenzauber nur wirken kann, wenn eine Hexe persönlichen Kontakt mit ihren Opfern hat, und Graviata die einzige Hexe ist, die Kontakt mit meiner Frau und meinem Sohn hatte, dann ist Graviata auch die Einzige, die als Schuldige infrage kommt.‹«
»Nein!«, rief Rafaela entsetzt. »Das kann er nicht gesagt haben. Er kennt Mama seit vielen Jahren und verdankt ihr unendlich viel!«
Wanda zog die Schultern hoch. »Er ist ein König. Er will einen Schuldigen und er will ihn gleich.«
Lulu entgegnete nichts. Sie wusste, wie die Geschichte ausgehen würde. Sie erinnerte sich an die Gespräche, die sie aufgeschnappt hatte, als sie in der Kneipe war und Limonade kaufte.
»Das muss ungefähr zu der Zeit passiert sein, als ihr durch die Stadt gelaufen seid, um das Amulett für euren Bruder zu holen«, nahm Wanda ihren Bericht wieder auf. »Meine Kusine schickte eine Küchenmagd zu unserem Haus, die uns alles brühwarm erzählte. Manfredo rannte zum Palast, um selbst rauszukriegen, was da vor sich ging. Else und ich blieben allein mit Bumbum. Else heulte die ganze Zeit wie ein Schlosshund und rief immer wieder, dass sie das alles nicht gewollt habe.«
»Was hat sie nicht gewollt?«, fragten Lulu und Rafaela wie aus einem Mund.
»Keine Ahnung, was sie will oder nicht will, diese blöde Kuh«, blaffte Wanda. »Auf jeden Fall saßen wir also im Haus und warteten auf irgendwas, und Else heulte. Von Manfredo weiß ich, dass eure Mutter versucht hat, den Palast zu verlassen und nach Hause zu ihrem Labor zu gehen. Aber der König hatte mittlerweile Wachen vor der Tür postiert und die ließen Graviata nicht mehr raus. Ehrlich gesagt, ich kann nicht verstehen, warum sie die Wachen nicht einfach, äh, ausgeschaltet hat und abgehauen ist. Noch wäre Zeit dazu gewesen. Ein paar Wachen können doch für eine Hexe wie eure Mutter kein Problem sein!«
»Sie wollte den Prinzen und die Königin nicht im Stich lassen. Die beiden waren ihre
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