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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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wieder aufnehmen könnten. Also sagte sie nichts.
    Endlich fand Damiano die Spalte und sie quetschten sich nacheinander hindurch. Auf der anderen Seite standen sie wieder in einem Gang, der so schmal war, dass sie hintereinandergehen mussten. In seiner Mitte floss ein spärliches Rinnsal.
    »Nach links«, kommandierte Damiano. Er bildete mit Bumbum auf dem Arm das Schlusslicht, Lulu ging vorneweg. Sie streckte die linke Hand aus und ließ sie über die Seitenwand gleiten, damit sie im schummrigen Laternenlicht nicht eine Abzweigung verpassten.
    Immer nach links, hatten die Rattenkinder gesagt. Sie mussten es wissen.
    Nach ein oder zwei Linksabbiegungen wurde der Gang breit, das Rinnsal schwoll zum Bach. Sie blieben stehen und lauschten. Ein Geräusch näherte sich von hinten, ein unheimliches Geräusch wie ein Sirren und Pfeifen, und es kam schrecklich schnell näher, vielstimmig, ohrenzerfetzend. Ralf rollte sich jaulend zum Knäuel. Entsetzt starrten sie zurück in die Dunkelheit, und da kam es auch schon auf sie zugerast wie ein kreischender Schatten, ein Schatten aus Fell, Pfoten, Zähnen. Ratten, Tausende von Ratten in toller Panik rasten durch den Gang, zwischen ihnen hindurch, über sie hinweg. Die Kinder konnten sich nur bäuchlings zu Boden werfen und warten, bis es vorbei war.
    Und dann kam der Rauch.
    »Rennt!«, schrie Damiano. »Schaut nicht zurück! Rennt!«
    Doch Lulu schaute sich um – und erstarrte. Das Wasser brannte! Vor ihnen und dicht bei ihnen war das Wasser noch Wasser, aber von weiter hinten kam es als Feuer herangeflossen, brennendes Wasser. Unheimlich schnell kam es näher. Der Rauch biss in die Augen, in die Lungen, nahm ihnen die Luft! Lulu stand da wie gebannt. Wanda versetzte ihr eine Ohrfeige, da erwachte sie aus ihrer Starre und ließ es zu, dass Wanda und Rafaela sie an den Händen nahmen und mit sich zogen, wieder nach links in einen anderen Gang. Das brennende Wasser schoss geradeaus an ihnen vorbei.
    »Hoffentlich ist das eine Abkürzung«, keuchte Damiano. »Dann haben wir eine Chance. Dann sind wir vor dem Feuer im Hauptkanal!«
    »Wieso brennt das Wasser?«, schluchzte Lulu.
    »Vielleicht Petroleum, vielleicht Hexenkram. Rennt!«
    Sie rannten um ihr Leben, trafen auf den Hauptkanal. Er war noch frei, dem Himmel sei’s gedankt, aber sicher nicht mehr lange. Es war Lulu, als könne sie den Rauch schon riechen, sie hatte schreckliches Seitenstechen, die Lungen wollten ihr platzen. Da wehte frische Luft heran, vor ihnen erschien ein helles Rund, Tageslicht, das Ende der Kanalwelt! Sie rannten darauf zu. Ein Gittertor – und es war verschlossen. Die dreckige Brühe stürzte durch das Gitter, hinunter in einen Fluss. Dort unten erstreckten sich sandige Ufer mit Gräsern und Sträuchern, aber hinaus konnten sie nicht. Sie rüttelten an dem Gitter, warfen sich mit aller Macht dagegen, doch es gab nicht nach. Damiano versuchte, Bumbum und Ralf zwischen den Stäben hindurchzuschieben, aber das gelang nicht, die Stäbe standen zu dicht. Voller Panik sahen sie zurück. Der schnurgerade Hauptkanal verlor sich im Dunkel und jetzt quoll Rauch heran. Einen Augenblick noch, dann wären die Flammen da.
    Und endlich besannen sie sich, dass sie Hexenkinder waren. Rafaela sagte den Spruch gegen verschlossene Türen, nichts bewegte sich. Sie sagten ihn alle zusammen, sogar Bumbum, sie warfen sich gegen die Stäbe, noch einmal mit letzter Kraft – und das Gitter gab nach. Im allerletzten Moment gab es nach. Hexenkinder, Wanda und Ralf ergossen sich mit der Stinkebrühe in den Fluss.
    Hoffentlich kann Wanda schwimmen, dachte Lulu, während sie fiel. Aber der Fluss war nicht tief, nur dreckig. Hastig wateten sie an Land, fielen hustend und keuchend völlig erschöpft in den Ufersand. Drüben auf der anderen Seite floss Feuer aus dem Kanal. Das ganze schmutzige Flüsschen brannte, brennend floss es zwischen niedrigen Hügeln hindurch. Weit drüben, jenseits der Hügel, ragten die Türme der Stadt in den grauen Himmel, umtanzt von schwarzen Pünktchen. Krähen!
    Corina, komm!, dachte Lulu und schloss die Augen. Schlafen, nur ein bisschen schlafen.
    »Macht ihr so was öfter?«, fragte eine Stimme.
    Sie fuhren hoch. Ein Mann saß im Schatten der Büsche und rauchte. Er war ihnen nicht aufgefallen, obwohl er eigentlich schwer zu übersehen war. Wie er jetzt aufstand und zu ihnen herankam, wirkte er sehr groß. Er hatte schwarzgraue Haare und einen grauen Bart, eine bunt gestreifte Jacke spannte sich

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