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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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wollten. Einer blies sich die Haare aus den Augen, ein anderer hatte einen Satz machen wollen, er schwebte fast ganz in der Luft, nur noch die Spitze seines Stiefels berührte den Boden. Den Hauptmann hatte es erwischt, als er einen Befehl brüllte, er hatte den Mund weit aufgerissen, mit den Armen gefuchtelt und auf den Zehen gewippt, und genau so stand er jetzt da, stocksteif und stumm. Man hätte lachen können, wenn es nicht so unheimlich gewesen wäre.
    Und nicht nur die Soldaten hatte es getroffen. Büsche und Bäume krümmten sich bewegungslos in einem Wind, der nicht wehte, Vögel hingen in der Luft, das feurige Wasser, die Rauchwolken standen still, sogar Krabbeltiere und Insekten steckten fest. Eine Fliege hing einfach in der Luft, Ameisen, Käfer, Grillen, alle mitten in ihrem Tun erstarrt. Nur die Kinder nicht und Churro, ihr neuer Freund. Auch nicht die Krähen und Ralf. Sie alle konnten sich ganz normal bewegen oder fast alle. Lulu fürchtete, ihr Kopf könnte abfallen, sie staunte lieber im Sitzen.
    Die anderen fassten sich ein Herz und wanderten zwischen den Soldaten herum. Wanda und Rafaela stupsten einen mit dem Zeigefinger an, nichts geschah. Die Krähen kreischten triumphierend und ließen sich auf den Köpfen der Soldaten nieder. Einige schielten begehrlich nach ihren Augen, aber sie beherrschten sich. Vermutlich hielt Corina sie im Zaum.
    »Was zum Teufel …« Churro ließ sich schwer auf seinen Hintern plumpsen. »Was zum Teufel ist hier los?« Fassungslos schaute er sich um.
    Da fühlte Lulu etwas Weiches hinter sich vorbeistreichen, es rieb sich an ihr und schnurrte. Eine Katze, eine kleine, fette, schwarz-weiße Katze.
    »Evchen?«, fragte Lulu verwundert.
    Die Katze nahm graziös Platz, Vorderbeine zusammen, Schwanz sorgfältig um den Körper gelegt, sodass die Spitze genau zwischen den zierlichen Pfötchen zu liegen kam. Aus hellen, grünen Augen starrte sie Lulu an. Kein Zweifel, es war Evchen.
    »Hast du das gemacht?«, fragte Lulu.
    Evchen leckte sich ihr Brustfell.
    »Das ist Genia!«, rief Churro. »Meine Genia. Sie ist klug, aber sie ist keine Zauberin!«
    »Ihr Name ist Evchen«, sagte Lulu. »Und sie ist vielleicht die mächtigste Zauberin der Welt. Außer Mama natürlich.«
    »Also das glaube ich einfach nicht«, stöhnte Churro. Doch er robbte heran und streichelte Evchen zart den Rücken.
    Sie ließ es eine Weile gnädig zu, dann fauchte sie kurz und unmissverständlich. Churro zog seine Hand zurück. Evchen sah zu Lulu, die verstand.
    »Sie hat die Zeit angehalten«, erklärte sie. »Hier am Fluss und ein Stück über die Landstraße hat sie für alle die Zeit angehalten, außer für uns.«
    »Wie macht sie das nur?«, rief Churro.
    »Hexenkram«, brummte Damiano. »Sie ist eine Hexe.«
    Evchen schaute Lulu unverwandt an.
    »Ich glaube«, sagte Lulu, »wir sollen zu einem Haus gehen. Es liegt in einem Garten mit Gitterzaun und Gittertor. Das Tor hängt schief in den Angeln. Es ist rostig und der Zaun auch. Der Garten ist verwildert, ein Plattenweg führt zum Haus. Es ist groß und dunkel. Viele Fenster, vorn eine Fahnenstange, aber es hängt keine Fahne dran. Die Tür ist an der Seite, sie hat einen Klopfer, der wie ein Herz aussieht. Und da ist so eine Art Turm, irgendwo dahinter.«
    »Ich kenne das Haus!«, rief Wanda aufgeregt. »Ich war schon einmal da. Es gehört einem Gelehrten. Ich hab dort eine Bestellung abgeben müssen für die Palastwerkstätten. Es ist ganz nah. Und von der Wiese hinter dem Haus kann man den Rösner Turm sehen.«
    »Ja, dann sollten wir uns wohl auf den Weg machen«, meinte Damiano. »Was ist mit dir?«, wandte er sich an Churro. »Kommst du mit?«
    »Klar komm ich mit. Ich hab keine Lust, mich von denen in den Kerker bringen zu lassen, wenn sie wieder aufwachen. Wie lange sie wohl noch so rumstehen?«
    Lulu sah zu Evchen. »Ein bis zwei Schläfchen lang«, sagte sie.
    Niemand wusste, wie lange so ein Katzenschläfchen dauerte, also machten sie sich auf. Evchen blieb sitzen.
    »Sie geht später«, erklärte Lulu, »wenn sie die Zeit wieder freigibt. Dann werden die Soldaten aufwachen und von gar nichts wissen. Für sie ist nur ein halber Wimpernschlag vergangen. Aber sie werden sich wundern, wohin wir verschwunden sind.«
    »Und Genia, äh, Evchen?«, fragte Churro besorgt.
    »Sie wird ihrer Wege ziehen. Wer verdächtigt schon eine Katze?«
    »Sie ist genial«, sagte Churro stolz.

12. Kapitel
    E ines Tages war Evchen einfach da gewesen, erzählte

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