Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
auf den Boden und vergrub die Hände in ihren schlammverkrusteten Locken.
»Macht schon!«, drängte Damiano. »Jammern können wir später. Die Kinder sagen, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis die Soldaten hier sind!«
Alle Rattenkinder waren schon zum Aufbruch gerüstet und hatten sich am Eingang der Höhle versammelt. In Windeseile mussten sie ihre paar Habseligkeiten gepackt haben. Lumpenbündel waren an Stöcke gebunden, die Laternen waren angezündet.
»Wohin wollen sie uns führen?«, fragte Lulu.
»Sie führen uns nicht, sie haben mir den Weg erklärt. Es gibt einen Ausgang nach draußen, vor die Stadt, und der ist ganz nah.«
»Sie kommen nicht mit?«
»Sie wollen nicht. Ich hab alles versucht, sie zu überzeugen, aber nichts zu machen. Vielleicht hören sie ja auf euch!«
Der Zug der Rattenkinder setzte sich in Bewegung.
»Halt, wartet!«, rief Lulu. »Lasst uns nicht allein. Ohne euch finden wir den Ausgang nicht!«
Dven trat hervor und kam auf Lulu zu. Sein altes Gesichtchen war ernst und entschlossen. »Wir können nid«, sagte er. »Wir dürfen nid. Dad hat der Fud… der Fukd…« Er brach ab, das Wort Fuchs war zu schwer für ihn.
»Das hat der Fuchs gesagt«, sprang ein anderer für ihn ein. »Wenn der Fuchs verraten wird und Soldaten in die Kanäle kommen, müssen wir die anderen warnen und uns alle am Versammlungsplatz treffen.«
»Welche anderen denn?«, fragte Lulu verblüfft.
»Na, die anderen. Die anderen Kinder und die Freunde vom Fuchs!«
»Aber Fuchs ist verhaftet worden. Er kann euch nichts mehr befehlen.«
Doch der Junge schüttelte den Kopf. »Wir sind auch Freunde vom Fuchs. Wir machen, was er sagt.«
»Wenn ihr mit uns nach draußen kommt«, rief Rafaela lockend, »seht ihr die Sonne. Und ihr könnt immer mit dem lustigen Ralf spielen.«
Ein Seufzen ging durch den Zug der Rattenkinder, doch sie schüttelten die Köpfe, allesamt, wie von unsichtbaren Fäden gezogen. Sie packten ihre Stöcke fester und marschierten los.
»Hinten durd den Dpald und immer nad linkd bid dum Hauptkanal!«, rief Dven.
»Hinten durch den Spalt und immer nach links bis zum Hauptkanal«, übersetzte ein anderes Kind. »Am Ausgang ist ein Gitter, aber es ist alt. Ihr müsst nur feste dran rütteln, dann geht es auf.«
»Id nid dwer!«, beruhigte sie Dven.
»Na hoffentlid«, brummte Wanda. »Wiederdehn!«, rief Dven. »Wiedersehen!«, riefen die Mädchen. »Danke!«, rief Damiano. Bumbum zog bloß ein Schippchen.
Dann waren die Rattenkinder verschwunden. Das Feuer flackerte noch schwach, bald würde es erloschen sein.
»Wir konnten ihnen nicht mal die Belohnung dafür geben, dass sie Bumbum gefunden haben«, sagte Lulu traurig. »Sie hätten sie gut brauchen können, so arm, wie sie sind.«
»Wir sind jetzt selber arm«, sagte Rafaela.
»Ihr denkt immer nur an euer Gold!«, fauchte Wanda. »Manfredo ist geschnappt worden! Er hat euch geholfen. Er war euer Freund. Aber ihr jammert, weil ihr kein Gold mehr habt!«
»Gar nicht wahr!«, rief Lulu empört. »Ich bin sehr traurig wegen Manfredo!«
»Sehr traurig«, höhnte Wanda. »Wie rührend!«
»Könnt ihr vielleicht mal die Klappe halten und mir suchen helfen?«, rief Damiano. »Hier irgendwo sollte der Spalt sein, durch den wir kriechen müssen!«
Sie hatten die Höhle durchquert und standen an der hinteren Wand. Mit ihren Laternen leuchteten sie den Fels ab.
»Die Helferlein haben wir übrigens auch verloren«, bemerkte Rafaela.
»Was?« Wanda stand mit fahlem Gesicht stocksteif da, hielt ihre Laterne am ausgestreckten Arm.
»Na ja, die Helferlein. Wir haben sie im Hippodrom gelassen. Genau wie das Gold. Ist alles futsch!«
»Nein!« Wanda sank auf den Boden und vergrub das Gesicht in den Armen.
»Nicht die Helferlein!«, stöhnte sie. »Sie waren das Beste, was ich je hatte! Ich hab immer so schwer arbeiten müssen. Von morgens bis nachts. Immer. Dann kamt ihr und habt die Helferlein gebracht und da war das Leben so schön!«
»Wir besorgen dir neue Helferlein«, sagte Lulu mitfühlend.
»Von was denn?«, fauchte Wanda. »Schon vergessen, dass ihr kein Gold mehr habt?«
Lulu wollte erwidern, dass Helferlein für Hexen nichts Besonderes waren, dass ihre Freunde im Wald, Larabelle und bestimmt auch Jovinda, ihnen jederzeit gern einen Käfig voll Helferlein zur Verfügung stellen würden. Aber dann fiel ihr ein, dass Larabelle und Jovinda zu ihrem alten Leben gehörten und es sehr fraglich war, ob sie dieses alte Leben je
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