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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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zerbrochenes Fenster, aus dem ein Ofenrohr ragte, das spärlich qualmte.
    »Na, dann klopfen wir doch einfach mal an«, meinte Ellwin.
    Doch wer immer dort lebte, hatte sie gehört. Die Tür öffnete sich, ächzend und schwerfällig schob sich jemand in den Regen hinaus. Es war die schreckliche Alte. Hier hauste sie also. Sie stand da, verwittert wie ein Stapel Totholz, und starrte ihnen entgegen. Dann erkannte sie ihre Besucher und geriet ganz außer sich vor Freude. Sie winkte und lachte ihr zahnloses, sabberndes Lachen, ja sie versuchte sogar ein paar kleine Hopser. Es war ein jammervoller Anblick. Aus dem, was sie brabbelte, glaubten sie »Tee trinken!« herauszuhören. Sie lud sie zum Tee ein!
    Unschlüssig schauten sie sich an, aber dann überwog die Neugier, und sie nahmen die Einladung an. Das Innere der Hütte war unbeschreiblich. Wie konnte ein Mensch nur so leben! Dieser Schmutz! Die Hütte hatte keinen Boden, nichts als fest gestampfte Erde, und die war durch die Nässe aufgeweicht. Alles war mit Schlamm beschmiert, die Wände, der wacklige Stuhl, das Lager mit den löchrigen Decken, das bisschen Geschirr. Doch schlimmer als der Dreck war der Gestank. Es roch nach alten, nassen Lumpen und sauren Ausdünstungen, mindestens so schlimm wie in den Abwasserkanälen. Tee würden sie hier keinen trinken.
    Unwillig ging Lulu hinaus. Sich mit der Alten zu beschäftigen war Zeitverschwendung. Sie war nicht Clarisse, auch wenn sie hier, auf dem Gelände des Rosenhauses, hauste und es vom Alter her wahrscheinlich sein konnte. Bestimmt war sie weit über hundert. Aber sie war keine Hexe, so viel stand fest. Keine Hexe dieser Welt würde unter dermaßen erbärmlichen Bedingungen leben. Nach und nach traten auch die anderen aus der Hütte heraus und sogen erleichtert die frische Regenluft ein.
    »Man sollte sie nicht so leben lassen«, sagte Wanda, als sie den Weg zum Turm einschlugen. »Man sollte sie da herausholen.«
    »Wir können nicht alle retten«, sagte Damiano und legte den Arm um sie. »So wie’s aussieht, sind wir mit Graviatas Rettung voll ausgelastet.«
    »Trotzdem bring ich ihr morgen was zu essen und eine anständige Decke. Habt ihr gesehen, dass sie auf alten Papiersäcken schläft?«
    »Kannst meine aus dem Wagen holen«, sagte Churro. »Ich brauche sie nicht.«
    Lulu ärgerte sich. Warum, wusste sie selbst nicht. Vielleicht, weil ihr die Alte auf die Nerven ging und sie sich nicht aufraffen konnte, nett zu ihr zu sein, so wie Churro und Wanda. Die beiden waren ja so gutherzig! Wütend stapfte sie allen anderen voran den Hügel hinauf und wäre fast auf den glitschigen Feldsteinen ausgerutscht.
    Der Turm, besser gesagt, der Rest des Turms stand auf einer niedrigen Anhöhe. Sicher war es früher herrlich gewesen, von seiner Spitze aus auf die sieben roten Rosenfelder zu schauen bis hinüber zu Clarisses prunkvollem Haus. Nichts davon war geblieben als dieser Rest, der heute, an diesem nieseligen, grauen Tag, mehr denn je einem warnend aufragenden Finger glich. Neben der Ruine häuften sich Steinbrocken und Geröll. Brombeerranken wucherten darüber. Doch an einer Stelle hatte man die Ranken vor offensichtlich nicht sehr langer Zeit zurückgeschnitten. Sie gaben eine Öffnung frei in eine Art Höhle. Lulu trat hinein. Besonders sicher sah die Höhle nicht aus. Sie war recht groß, doch nur ein Teil war begehbar, dort wo der Boden aus festem Felsgestein bestand. Der Rest war bodenlos, einfach nur ein Loch. Das schien tief zu sein. Lulu hätte hinuntergeschaut, wenn Ellwin sie nicht mit dringlicher Stimme zurückgerufen hätte. Lulu gehorchte, sie war ganz froh, dass er sie zurückgepfiffen hatte. Diese Höhle und das Loch darin machten ihr Angst.
    »Sehen wir zu, dass wir aus dem Regen herauskommen«, sagte Ellwin. »Es ist zwar noch nicht später Nachmittag, aber der alte Meister Milasius wird uns sicher auch schon früher empfangen.«
    Das tat der alte Lehrer tatsächlich. Mit fürsorglicher Höflichkeit bat er sie herein, nahm ihnen die nassen Sachen ab, rückte Stühle und Sessel vor den Kamin, entschuldigte sich, weil er sie kurz allein ließ, und kam gleich darauf zurück mit einem Tablett voll dampfender Kakaotassen und einer Platte mit Zucker bestreuter Schmalzkringel. Lulus schlechte Laune verflüchtigte sich wie die Nässe aus ihrer Kleidung.
    »Eure Gruppe ist recht ungewöhnlich zusammengesetzt, lieber Ellwin«, bemerkte Meister Milasius, während er auf dem Sofa Platz nahm und die Platte

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