Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
Vom Netzwerk:
könnte man glauben, ein Fluch liege auf dem Gelände. Er lächelte entschuldigend, um zu zeigen, dass er es nicht ernst meinte. Nur die verwahrloste Greisin harrte noch dort aus, verrückt und starrsinnig, wie sie sei, humpele sie immer wieder in ihre elende Hütte zurück, anstatt öfter von den Schlafplätzen Gebrauch zu machen, die ihr angeboten wurden.
    »Den Winter wird sie nicht überleben«, prophezeite er.
    »Wo war sie denn letzten Winter?«, fragte Churro.
    »Das weiß niemand«, antwortete Meister Milasius.
    Mieka rief zum Essen. Sie hatte sich viel Mühe gegeben, und alle langten zu, doch mehr aus dem Wunsch heraus, die Köchin nicht zu kränken, denn aus wirklichem Appetit. Sobald es die Höflichkeit erlaubte, dankten sie ihren Gastgebern und machten sich auf den Heimweg. Sie sprachen nicht viel. Jeder hing seinen Gedanken nach.
    Zu Hause erwartete sie eine unliebsame Überraschung. Ralf, der daheim geblieben war, hatte wohl vermutet, er sei endgültig im Stich gelassen worden, und war in verzweifelter Suche nach ihnen durch alle Zimmer getobt. Dabei hatte er Churros Farbtöpfchen umgestoßen, sich in den Pfützen gewälzt und das ganze Haus in ein schreckliches Chaos verwandelt. Damiano tröstete den dummen Ralf und rieb, sehr vorsichtig, um ihn nicht zu vergiften, mit Churros Farbverdünner die schlimmsten Kleckse aus seinem Fell. Ralf jaulte wie ein Hündchen. Die Reinigung des Hauses musste warten, Churros Verdünner war aufgebraucht. Er musste erst in die Stadt fahren und neuen besorgen.
    Sie gingen alle früh schlafen, besser gesagt, sie gingen zu Bett. Ob die anderen schliefen, wusste Lulu nicht. Sie selbst konnte es nicht. Um nicht nachdenken zu müssen, las sie bis spät in die Nacht hinein, und als sie ihr Buch ausgelesen hatte, stand sie auf, in der Hoffnung, jemanden zu finden, der ebenfalls noch wach war. Sie wurde nicht enttäuscht, Ellwin saß in der Studierstube und grübelte über irgendwelchen Schriften.
    »Kann ich dir helfen?«, fragte sie und schob einen Stuhl neben seinen. Er nickte, zog sie mit der gesunden Hand heran und nahm sie unter seine weite Wolljacke. Er roch gut, nach Tinte und Papier und Rasierseife. Lulu kamen die Tränen. Sie konnte nichts dagegen tun. Die blöden Tränen liefen einfach aus ihr heraus und durchnässten Ellwins Hemd.
    »Rede mit mir«, sagte Ellwin sanft.
    »Es ist wegen Mama«, schniefte Lulu. »Sie hat die Rose ausgegraben. Sie hat es getan, ganz bestimmt. Vielleicht war sie eins von Clarisses Kindern. Dann hat sie ihre eigene Mutter verflucht. Das ist doch schrecklich.« Lulu weinte haltlos.
    »Aber Schatz«, lächelte Ellwin. »Hast du denn vergessen, dass der Fluch bei Familienmitgliedern nicht wirkt? So kann es nicht gewesen sein.«
    »Ach so!« Lulu schluckte und wischte sich die Nase. »Stimmt.« Wie hatte sie das nur vergessen können? Die Tränen versiegten. Doch fast sofort kullerten sie wieder los. »Dann war sie eben eine völlig Fremde«, schluchzte sie. »Sie kam eines Tages vorbei und sah die schönen Rosen und dann hat sie die Rosen vergiftet und Clarisse verflucht. Aus Neid.«
    »Jetzt hör mir mal zu!« Ellwins Stimme klang streng. »Sieh mich an! Los, schau mich an!« Er packte Lulu bei den Schultern und schüttelte sie leicht. »Denk an Graviata, an deine Mama. Stell sie dir vor! Wie sie aussieht, wie sie lacht, wie sie mit euch spielt, wie sie Trompete bläst. Hat sie immer noch diese alberne Trompete?«
    Lulu nickte und musste ein klein wenig lächeln.
    »Na also!«, sagte Ellwin befriedigt. »Denk immer so an sie, wie du sie in Erinnerung hast. Sie verlässt sich auf dich, auf uns. Du, ihr alle dürft jetzt nicht an ihr zweifeln!«
    O ja, das stimmte! Lulu versuchte sich zusammenzureißen. Ellwin wartete geduldig, bis Lulu nicht mehr allzu sehr von Schluchzern gebeutelt wurde, und reichte ihr ein Taschentuch. Sie putzte sich die Nase.
    »Geht’s wieder?«, fragte er.
    Sie nickte.
    »Nehmen wir mal an«, sagte Ellwin, »dass deine Mama vor vielen Jahren, neunundneunzig, um genau zu sein, tatsächlich diese Clarisse verflucht hat. Aber wenn es so war, dann hatte sie einen verdammt guten Grund dazu. Da bin ich mir sicher und du solltest es auch sein. Die Böse in diesem Spiel heißt Clarisse, nicht Graviata. Clarisse ist damals nicht gestorben, leider, möchte man sagen. Sie lag fast hundert Jahre lang unter den Trümmern des Turms und ist zurückgekommen, um ihren Rachefeldzug zu starten. Sie hat die Königin und den Prinzen

Weitere Kostenlose Bücher