Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
schlossen die Tür. Damiano las den Text aus dem Reiseführer, Lulu sagte die Worte des Fluchs. Sie wiederholten alles noch einmal und schauten sich an.
»Das ist es«, sagte Rafaela. » Häuscher af busch, häuscher af rossen . Das Rosenhaus. Seven af seven af seven, ville de seven . Sieben Rosenfelder, sieben Büsche, sieben Fenster, sieben Kamine. Blutrote Rosen. Kranke Rosen . Gran vun sude, san vun blot . Das kann doch kein Zufall sein, oder? Auch wenn wir noch nicht alles verstehen, das kann doch kein Zufall sein?« Ihre Frage klang wie eine Beschwörung.
»Nein«, Damiano schüttelte den Kopf, »kein Zufall. Wir haben endlich eine Spur.«
»Endlich«, seufzten Lulu und Rafaela im Chor.
Damiano wühlte hektisch in Papieren herum, zog ein Blatt aus einem Stapel, überflog es. »Das ist eine Übersetzung, die ich geschrieben habe. Ich bin mir nicht sicher, ob sie stimmt. Vor allem die kleinen Wörter, af, de, vun , die habe ich nicht gefunden und einfach übersetzt, wie ich gedacht habe, dass es einen Sinn ergibt. Und mit dem letzten Satz komme ich nicht klar. Vielleicht kriegen wir ja zusammen raus, was er bedeutet. Also«, er räusperte sich, »Haus mit Busch, Haus mit Rosen, sieben und sieben und sieben, es gibt vieles von sieben. Krank von sude , das Wort habe ich ebenfalls nicht gefunden.«
»Salz«, sagte Rafaela.
»Ach«, sagte Damiano und fuhr fort. »Krank von Salz, gesund von Blut, die Saat der Rosen. Fein das Rot, fein das Blut. But de seik af de farten vil se kamen . Jetzt wird’s schwierig. Seik habe ich nicht gefunden, aber sihk und sehok .«
»Klingt fast gleich. Was heißt es?«
»Beides steht für die Zeit oder ein …«
»Ein Ungeheuer«, rief Lulu aufgeregt. »Ich habe in dem Buch mit den alten Sagen davon gelesen. Der Sehok ist ein Ungeheuer, das alles frisst, Menschen, Häuser, die Welt, einfach alles.« Sie schwieg betroffen. »Und was heißt farten ?«, fragte sie dann.
» Farten heißt entweder ganz einfach fahren, oder es bedeutet, dass etwas sehr schnell geschieht. Die Zeit, die sehr schnell abläuft. Erinnert uns das nicht an etwas?«
Und ob sie das an etwas erinnerte! Sie sahen wieder Ellwin vor sich, wie er vor ihren Augen zerfiel, fast zur Mumie wurde, und sie hörten das Stöhnen des Hauses, das sich aufzulösen begann.
»Mamas Worte haben den Fluch gestoppt«, sagte Rafaela bedrückt.
»Jovinda braucht den Fluch nicht zu fürchten und Evchen kann sehr gut mit der Zeit umgehen«, sagte Lulu ebenso bedrückt. »Wo führt uns das alles nur hin?«
»Vorerst nur zum Rosenhaus«, beruhigte Damiano seine Schwestern, »zu einer verschollenen Hexe namens Clarisse und einem eingestürzten Turm, der, wie es hier so schön heißt, uns daran erinnert, dass nichts auf dieser Welt von Dauer ist. Also, falls wir mit unserer Übersetzung nicht völlig danebenliegen, lauten die Worte so: ›Haus mit Busch, Haus mit Rosen. Sieben und sieben und sieben. Es gibt vieles von sieben. Krank von Salz, gesund von Blut, die Saat der Rosen. Fein das Rot, fein das Blut. Doch die Zeit (das schreckliche Ungeheuer, das alles frisst) wird sehr schnell kommen. Für immer.‹ Trommeln wir den Kriegsrat zusammen!«
Der Kriegsrat traf vollzählig im Esszimmer zusammen. Damiano las den übersetzten Fluch vor, dann den Abschnitt über das Rosenhaus aus dem Reiseführer.
»Wir glauben, dass wir endlich eine Spur gefunden haben«, schloss er.
»Und ob das eine Spur ist!«, rief Churro anerkennend. »Ihr seid genial, ihr zwei!«
»Es war nur ein verrückter Zufall«, wehrte Lulu ab.
»Fast alle großen Entdeckungen gehen auf verrückte Zufälle zurück«, sagte Ellwin.
»Rosenhaus«, überlegte er weiter. »Das ist hier, ganz in der Nähe, ein kurzer Spaziergang nur. Ich bin selbst schon ein paarmal dort gewesen.« Nachdenklich griff er nach dem Papier mit der Übersetzung. »Kann ich das jetzt gefahrlos lesen?«, fragte er Lulu.
Sie nickte. Sie spürte überhaupt keine Angst, nicht wie beim letzten Mal, als Ellwin den Fluch in den Händen gehalten hatte.
»Soll ich nicht lieber?«, fragte Churro höflich. Doch Ellwin schüttelte den Kopf. Falls Lulu sich irrte, meinte er, wäre es besser, der Fluch träfe jemanden, der schon Erfahrung im Verfluchtwerden habe. Stockend, nach jedem Wort anhaltend und in sich hineinlauschend, las er die Worte. Nichts geschah. Sie atmeten auf. Zwar glaubten sie Lulu und ihrem geheimnisvollen Wissen, aber jeder konnte sich mal irren, auch Lulu. Doch ihr Gefühl hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher