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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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Blaues, fast wie im Frühling. Wanda und Damiano schäkerten miteinander. Rafaela schnaubte verächtlich und suchte immer wieder Lulus Blick, um mit ihr gemeinsam die Augen rollen zu können, aber die war tief in Gedanken und bekam nichts mit. Gar nichts, auch nicht das ferne Rufen einer Krähe.
    Erst am Rosenhaus tauchte sie aus ihren Grübeleien auf und schaute zur Hütte der Alten. Wie gestern bemerkte die Greisin ihr Kommen und öffnete die Tür, und wie gestern geriet sie in Entzücken, als sie ihre Besucher erkannte. Die anderen hatten ihr eigentlich nur die Geschenke in die Hand drücken und sich gleich wieder davonmachen wollen, aber als sie sahen, wie Lulu schnurstracks in die Hütte hineinmarschierte, trotteten sie etwas ratlos hinterher.
    »Bleiben schum Tee! O ja, schum Tee!«, brabbelte die Alte aufgeregt und versuchte wieder diese kleinen Hopser, die zu ihr passten wie ein Diamantcollier zu einem Regenwurm.
    Sie wühlte in einem Korb voller Lumpen und förderte ein paar Scherben zutage, versuchte sie mit ihren verkrümmten Händen auf einem umgedrehten Eimer zu arrangieren, aber sie schaffte es nicht, die Scherben fielen in den Dreck. Als sie sich bücken wollte, um sie aufzusammeln, tat sie dies sehr schnell, so wie ein junger Mensch sich bückt. Ihre uralten Knochen krachten, und wenn Damiano und Wanda nicht hinzugesprungen wären und sie an den Armen gepackt hätten, wäre sie übel gestürzt.
    »Immer mit der Ruhe, Mütterchen«, sagte Damiano.
    »Hihi«, kicherte sie und zog verlegen die Schultern hoch.
    »Wir haben Euch eine Decke gebracht, Mütterchen«, sagte Wanda und legte sie der Greisin um die Schultern.
    »Oh, schönesch Kleid«, sagte die und versuchte sich zu drehen wie ein junges Mädchen vor dem Spiegel. Es war jammervoll.
    »Wie alt seid Ihr, Mütterchen?«, fragte Lulu.
    »Schiebschehn.«
    »Siebzig?«, wiederholte Wanda. »Sie schwindelt. Ich kenne Leute, die siebzig sind. Die sind alle noch viel, äh, rüstiger.«
    »Schiebschehn«, beharrte die Alte eigensinnig.
    »Sie meint siebzehn«, sagte Rafaela.
    »Verrückt«, stellte Wanda fest.
    Lulu schaute der Frau zum ersten Mal richtig ins Gesicht, ohne irgendwie an ihr vorbeizuschielen. Die Augen! Ihre Augen waren klar und strahlend. Wimpern hatte sie keine mehr, und die Lider waren faltig, aber die Augen strahlten in klarem, reinem Braun. Es waren junge Augen, ein wenig ratlos, vielleicht sehr ratlos, aber nicht alt und nicht verrückt.
    »Wie heißt Ihr, meine Dame?«, fragte Lulu sanft.
    »Naschia Bolin«, antwortete sie.
    Lulu atmete scharf ein.
    »Anassia Bolin?«, rief Rafaela. »Das kann ja wohl nur ein Scherz sein! Anassia Bolin, so heißt die …« Sie brach ab. »O nein«, sagte sie. »Das ist nicht wahr!«
    »Was ist nicht wahr?«, fragte Damiano alarmiert.
    »Lulu meint …«
    »Die Augen«, sagte Lulu. »Sie hat junge Augen.«
    »Junge Augen!«, schnaubte Damiano verächtlich. Aber er stellte sich vor die Alte hin und fixierte sie genau.
    Die trat verschämt von einem Fuß auf den anderen. »Isch heirate bald«, nuschelte sie. »Kronprinsch Dorvid. Wir schind verlobt. Du darfsch misch nisch scho anschaun!«
    »Entschuldigung.« Damiano wirkte, als würde ihm schlecht, und er sah sich nach einer Sitzgelegenheit um, aber der einzige Stuhl in der Hütte war mit Lumpen beladen, also lehnte er sich an die Wand. »Ich glaube das nicht«, sagte er gepresst.
    »Was glaubst du nicht?«, fragte Wanda.
    »Ich glaube es«, sagte Lulu leise. »Und Ellwin glaubt es auch. Das war es, was ihm gestern Nacht eingefallen ist.«
    »Glaubst du es oder weißt du es?«
    »Weiß nicht«, piepste Lulu.
    »Entschuldigt bitte, dass ich auch noch da bin«, fauchte Wanda.
    »Lulu glaubt«, begann Rafaela, »dass die da«, sie zeigte auf die Greisin, »die andere ist und die andere die da.«
    »Ich versteh kein Wort!«
    »Es gibt so etwas wie Personentausch«, erklärte Damiano. »Die meisten Hexen können das, aber es ist streng verboten, sehr streng. Es hat sogar schon mal einen Krieg gegeben deswegen.«
    »Wie in ›Serafia und der König‹?«, fragte Wanda.
    Die Hexenkinder nickten.
    »Mannomann«, hauchte Wanda ehrfürchtig. »Dann ist also Clarisse, äh, nein, die Alte da Anassia im Körper von Clarisse, und Clarisse steckt im Körper von Anassia?«
    »Das ist es, was Lulu glaubt«, sagte Damiano.
    »Ach du Schande! Siebzehn Jahre ist sie alt und sieht so aus!« Fassungslos starrte Wanda auf den plumpen, zerfallenden Körper der Alten. »Was

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