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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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von Einsamkeit und Leid, platzte gereizt heraus: »Du bist töricht. Das Leben dort wird hart, und du wirst eine Fremde sein. Sie werden dich zwingen, einen Mann zu heiraten, der grausam zu dir sein wird. Du wirst nur eine Arbeitssklavin sein.«
    Rhodope warf ihr einen ungehaltenen Blick zu. Unter anderen Umständen hätten die beiden jungen Mädchen Freundinnen werden können. »Du hast ja keine Ahnung!«
    »Ich weiß mehr, als du denkst!«, gab Albia zurück. Ich fing Helenas Blick auf, während die beiden Jugendlichen sich stritten. Sie war stolz auf Albia, die jetzt rundheraus sagte: »Ich habe ohne Familie gelebt, unter sehr armen Menschen.«
    »Sie sind nicht arm!«, brauste Rhodope auf. »Schau dir diese Frauen an, schau, wie sie gekleidet sind.« Es stimmte, dass sie reich geschmückt waren. Zu ihren karmesinroten, blauen und violetten Gewändern trugen sie ganze Bündel von Halsketten, Reihen von Armreifen an ihren dünnen Handgelenken, Fußkettchen und Ohrringe, die mit goldenen Scheiben und Spindeln blinkten.
    Ihres Sieges sicher, verkündete Albia: »Da verbrennt dein Mann. Deine Hoffnungen fliegen im Rauch hinauf in den Himmel. Sitz da und weine um ihn. Helena Justina wird dich trösten.« Albia hob ihre Röcke mit der einen Hand an und bahnte sich verächtlich einen Weg durch die am Boden hockenden illyrischen Frauen. Als wollte sie deren Desinteresse an Rhodope unterstreichen, bot sie an: »Ich gehe und hole dir Wein und etwas zu essen.«
    »Sie sind mit Gold behängt!«, beharrte Rhodope beinahe flehentlich.
    Albia drehte sich um. Sie war ein paar Jahre jünger als Rhodope, aber sichtlich vernünftiger. Vielleicht war ihr klargeworden, dass Rhodopes Vater ihr in ihrem kurzen Leben unbegrenztes Einkaufen gestattet haben musste. »Gold«, bemerkte Albia trocken, »das sie nicht ausgeben dürfen, schätze ich.«

LV
    A ls der Zoff begann, geschah es unerwartet.
    Dem Schaf war die Kehle aufgeschlitzt worden, was ungewöhnlich lauten Applaus hervorrief. Der Priester hatte kaum Zeit, die Innereien auf einen Teller zu kippen, da schnappten ihm schon unerwartete Helfer den Kadaver weg und verwandelten ihn in einen Spießbraten. Der Scheiterhaufen war jetzt entzündet worden, wollte aber nicht so recht ziehen. Als die rauchigen Flammen um die Leiche zu flackern begannen, hätten nahe männliche Verwandte von Theopompus seine Eulogie vortragen sollen, doch keiner der Illyrier wollte diese Rolle übernehmen. Dennoch wussten wir alle, dass Theopompus protzige Kleidung geliebt hatte und ein Raser gewesen war. Rhodope würde sicherlich einen gewaltigen Gedenkstein für ihn in Auftrag geben, auf dem Tugenden gerühmt wurden, die seine Kumpane nie bemerkt hatten. Trotz ihrer Überzeugung, unter Freunden zu sein, glaubte ich, dass wenige zurückbleiben würden, bis sie den Stein eingeweiht hatte.
    Endlich begannen die Flammen um die blumengeschmückte Bahre zu prasseln. Ich sah, wie sich Albia unerschrocken durchdrängte, um die versprochenen Erfrischungen für Rhodope zu holen. Sie hatte sich ihren Weg durch die auf dem Boden hockenden Gruppen gebahnt, die sich in eigenen Kesseln etwas zusammenschmurgelten, und näherte sich dem auf einem provisorischen Tisch aufgebauten Büfett, dem offiziellen, von Posidonius zur Verfügung gestellten Trauermahl. Sie nahm sich eine Schale und einen Becher und wartete darauf, bedient zu werden. Picknicks mit den Toten in einer Nekropole waren die Norm. Dieses hier hatte allerdings ein gewaltiges Ausmaß. Vor dem Büfett hatte sich eine unordentliche Schlange gebildet.
    Der Lieferant hatte Sklaven geschickt, um die Körbe auszupacken und die Delikatessen hübsch anzurichten, aber die nervösen Kellner wirkten überwältigt, als die Illyrier und Kilikier die Sache selbst in die Hand nahmen. Frauen griffen nach den Servierplatten, Männer beugten sich vor, schnappten sich die besten Brocken, während sie den überarbeiteten Kellnern ihre Becher zum Füllen hinhielten. Albia weigerte sich, übergangen oder beiseitegeschubst zu werden.
    Helena behielt unser Mädchen im Auge, genau wie ich. Albia war jung und allein da vorne. Daher war es keine Überraschung, dass einer der Männer in Seestiefeln sie beäugte. Als sie zu uns zurückkehrte, folgte er ihr, ohne zu ahnen, dass Albia eine wilde Vergangenheit hatte. Er grabschte nach ihr. Ohne auch nur richtig innezuhalten, stieß sie ihn mit dem Ellbogen weg und kippte ihm den Inhalt des Bechers, den sie trug, direkt ins Gesicht. Dann ging

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