Das Geheimnis des Scriptors
Problem war, damit ich ein schlechtes Gewissen bekam). »Wie du so weise bemerktest, Marcus, meine Arbeit kann warten. Sie verlassen sich zwar sehr auf mich, aber ich sollte mir gelegentlich auch mal freinehmen.«
Nun hing ich fest. Dieser Klotz am Bein freute sich jetzt auf einen geruhsamen Ausflug ans Meer. Eine Alternative gab es nicht. Ich hatte keine anderen Hinweise auf Diocles’ Aufenthaltsort. Der mysteriöse Damagoras war meine einzige Spur.
XIII
N achdem ich ihn von seinem Schreibtisch losgeeist hatte, beschloss Gaius, es voll auszukosten. Er schlug vor, ein Picknick, Sonnenhüte und unsere Familien mitzunehmen. Ich wandte ein, das würde unprofessionell wirken. Aus Respekt vor dem Arbeitsprinzip stimmte er zu, obwohl er immer der Ansicht gewesen war, dass mein Arbeitsbereich höchstens den Glanz eines großen Haufens Pferdeäpfel vor dem Circus Maximus besaß. Es gelang mir, ihn zu überzeugen, dass wir noch genug Tageslicht hätten, um Esel zu mieten, die Villa zu besuchen und vor dem Abendessen zurück zu sein. Einen Badeausflug konnten wir an einem anderen Tag unternehmen …
Beim Aufbruch war die Zeit noch auf unserer Seite. Wir ritten durch die Porta Laurentina aus Ostia hinaus und rasch durch die gewaltige Nekropole, die außerhalb der Stadt lag. Bauernhöfe und Obstgärten bedeckten die Ebene, und als wir die Via Severina erreichten, die Hauptstraße nach Laurentum, tauchte jede halbe Meile eine schicke Villa auf. Nachdem Gaius mehrfach falsch abgebogen war, wurde die Zeit allmählich knapp. In einem winzigen Dorf am Meer hatten uns die vom Fischfang zurückgekehrten Männer angestarrt, als wir von der Hauptstraße abbogen. Erst nach einem meilenlangen Ritt durch lichte Wälder hatten wir sie wiedergefunden.
Gaius lehnte zahllose Villen ab, die für Menschen mit zu viel Freizeit und viel zu viel Geld erbaut worden waren. Die laurentinische Küste südlich von Ostia besteht aus einer ununterbrochenen Reihe bewachter Häuser in eleganter Umgebung, und wir waren an vielen davon vorbeigeritten. Die Sonne schien milder, und die Schatten wurden lang, als wir von der Durchgangsstraße in einen letzten holprigen Pfad abbogen, verdrießlich in Richtung Meer trotteten und endlich den Ort erreichten, zu dem wir wollten – ein großes umzäuntes Grundstück, an dessen Tor zufällig niemand Wache hielt.
Das Tor war verschlossen. Wir banden unsere Esel außer Sichtweite an und kletterten hinüber. Ich wollte allein nachforschen, aber niemand kann auf einen Solostreifzug gehen, wenn man mit Gaius Baebius unterwegs ist. Er hatte keine Ahnung von Diplomatie und nicht die Absicht, die Nachhut zu bilden.
Wir gingen die Einfahrt hinauf und hielten die Ohren gespitzt. Falls der Besitzer dieser Villa der übliche reiche Enthusiast mit einer Menagerie war, die frei herumlaufen durfte, waren wir leichte Beute. Unsere Stiefel versanken in warmer, sandiger Erde auf einem weichen Pfad, und die Küstenluft roch stark nach Kiefernnadeln. Zikaden zirpten in den großen Bäumen um uns herum. Sonst herrschte Stille, bis auf das ferne Wispern der Wellen, die sich in langen, niedrigen Kämmen am bisher unsichtbaren Ufer brachen.
Die Villa, die wir erreichten, war so nahe am Meer gebaut, dass es oft unangenehm sein musste, die Panoramatüren der diversen Esszimmer zu öffnen, sollte der Seeblick ein wenig zu nahe kommen und die Gischt auf die Serviertische spritzen, den üppigen Inhalt der Silberschalen beflecken und deren reiche Ornamente matt werden lassen. Meeresbrisen würden die Schläfer in den verschwenderischen Gästezimmern wecken. Die salzige Luft trocknete bereits meine Haut aus. Sie musste gärtnerische Probleme in den Küchengärten neben dem Badehaus verursachen, an den mit zähen Kletterpflanzen und Ziersträuchern bewachsenen Gartenlauben und dem breiten, formell bepflanzten Parterre, bei dem wir schließlich ankamen. Dort waren die Wege gekiest, aber Sand wehte ständig darüber, und einige der Buchsbaumeinfassungen hatten unter dem rauhen Klima gelitten. Nichtsdestotrotz war es einem beharrlichen Gärtner gelungen, einen grünen Bereich zu schaffen, in dem er seine Phantasie mit Baumbeschnitt ausgetobt hatte. Es gab also tatsächlich wilde Tiere auf dem Grundstück – einen verkleinerten Elefanten mit erhobenem Rüssel (in dem Drähte stecken mussten) und ein zusammenpassendes Löwenpaar, alle aus Büschen herausgeschnitten. So stolz war dieser Heckenschneider auf sein sorgfältiges Werk, dass er
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