Das Geheimnis des Scriptors
seinen Namen in einem Buchsbaum verewigt hatte.
Er hieß Labo. Oder Libo. Oder Lubo.
L BO
war da sauber ausgeführt am Ende des Gartens zu lesen. Aber der Heckenschneider hatte Pech gehabt. Der Besitzer der Villa wollte seinen eigenen Namen in einem Buchsbaum sehen. Der fehlende Vokal war gerade von einem wütenden Mann niedergetrampelt worden, der jetzt den Gärtner am Schopf gepackt hielt. Als Gaius und ich eintrafen, wollte er den Kopf des schreienden L BO gerade mit der Heckenschere abschneiden.
XIV
N iemand hatte uns gesehen. Wir konnten uns immer noch heimlich aus dem Staub machen.
»Entschuldigen Sie!« Gaius stürzte vor, ein rechtschaffener Beamter in vollem Galopp, das Kinn trotzig erhoben. Er mischte sich da in etwas Gefährliches ein, und ich hätte ihn seinem Schicksal überlassen und mich verpissen sollen.
Die Heckenschere war vermutlich gar nicht scharf genug, um den Gärtner zu enthaupten, hatte aber einen blutigen Kratzer hinterlassen. Der Wütende hatte die beiden Klingen zusammengeklappt und bohrte die Spitzen einhändig in den Nacken des Gärtners wie in einen dicken Ast. Er war stark und geschickt.
Wichtigtuerisch und plump drohte Gaius Baebius mit dem Finger wie ein kraftloser Schullehrer. »Ich würde Ihnen raten, sofort damit aufzuhören.« Nach dem Ausdruck des Wütenden zu urteilen, waren wir als Nächste dran, unsere Wedel gestutzt zu bekommen. Gaius fuhr ruhig fort: »Ich bin durchaus dafür, fehlgeleitete Dienstboten zu bestrafen, aber es hat Grenzen …«
Der Mann mit der Heckenschere stieß den Gärtner zu Boden, wo der gurgelnd liegen blieb und seine Kehle umklammerte. Seinen Sklaven zu töten ist legal – doch falls man ihn nicht beim Vögeln der Dame des Hauses erwischt, wird es im Allgemeinen missbilligt.
Der Angreifer versetzte dem Gärtner einen Tritt und marschierte auf uns zu. Er war kein Römer. Seine Kleidung war unter der Patina von nachlässigem Dreck gediegen und farbenfroh, strähniges Haar fiel ihm bis auf die Schultern, und an seiner Kehle glitzerte Gold. Die meisten Finger an der Hand, mit der er die langschneidige Schere umklammerte, waren mit Juwelenringen bestückt. Er hatte dunkle Haut, verwittert von Tätigkeiten im Freien. Aus seinem Verhalten ließ sich schließen, dass er in seinem Beruf durch das Niedertrampeln von Untergebenen und Niederknüppeln von Rivalen an die Spitze aufgestiegen war. Woraus dieser Beruf auch immer bestand, ich glaubte nicht, dass er seinen Lebensunterhalt mit zarter Seidenstickerei verdiente.
Ich versuchte die Anspannung zu entschärfen. »Ihr Kumpel sieht aus, als würde er Hilfe brauchen«, rief ich, immer noch in einiger Entfernung und durchaus interessiert daran, dort zu bleiben. »Gut möglich, dass er nie mehr eine Spirale schneidet. Schade. Seine Arbeit ist von guter Qualität …«
Es war fraglich, ob dieser Mann Latein verstand, aber er war eindeutig nicht meiner Meinung. Ich rechnete mit Ärger – jedoch nicht mit dem, was dann passierte. Er schleuderte die Heckenschere direkt auf mich.
Das Werkzeug kam auf Halshöhe angeflogen. Wenn er auf Gaius gezielt hätte, dann wäre Gaius tot. Als ich seitwärts auswich, kreischte mein Schwager: »He, das ist Didius Falco! Mit dem würde ich mich nicht anlegen!«
Das war eine Herausforderung, eine, die ich selbst nicht geäußert hätte. Ich fürchtete, dass unser Angreifer sehr scharfe Messer in den Falten seiner dicken Tunikalagen und der Schärpe stecken hatte, einen Feind aber ohne weiteres mit nackten Händen töten konnte. Jetzt würde er mich töten.
Erfahren in Konfliktsituationen, traf ich eine rasche Entscheidung. »Gaius, renn wie verrückt!«
Wir gaben beide Fersengeld. Der Wütende brüllte auf. Er jagte hinter uns her, genau wie der Gärtner, der sich jetzt aufrappelte und ebenfalls loslief. Als wir den Rand der Hecke erreichten, tauchten weitere Männer auf.
Wir rannten an einem freistehenden Gästehaus mit Sonnenterrasse vorbei. Wir kamen an die Grenze des Grundstücks. Wir stolperten auf den Strand. Der Sand war pudertrocken, hoffnungslos fürs Rennen. Gaius Baebius trug viel zu viel Gewicht mit sich herum und geriet ins Taumeln. Ich packte seinen Arm, um ihn schneller vorwärtszuzerren, und als ich sein hochrotes Gesicht sah, erkannte ich, dass es die aufregendste Sache war, die meinem Schwager passiert war, seit sich Junia den Zeh an einer leeren Amphore gebrochen hatte. Mir erschien es eher wie eine Katastrophe. Wir waren unbewaffnet, weit
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