Das Geheimnis des Templers - Collector's Pack
ich Euch zum ersten Mal
sah.«
Gero unterdrückte seine aufkommende Ungeduld. Der Komtur hatte ihn wohl kaum Platz nehmen lassen, um ihm Anekdoten aus seiner
mehr oder weniger turbulenten, aber bestimmt nicht weiter erwähnenswerten Jugend zu unterbreiten.
»Ich schätze und vertraue Euch sehr, nicht zuletzt wegen Eurer Herkunft. Wie Ihr wisst, verehre ich Euren Vater als tapferen
Mann, der dem Orden immer loyal zur Seite gestanden hat, und das ohne je zu den Unseren zu gehören.« D’Our trank und setzte
den Becher bedacht ab. Wieder sah er Gero mit seinen steingrauen Augen an, als ob er zum Grunde seiner Seele vordringen wollte.
»Ihr habt einen Eid zur Verschwiegenheit geleistet, trotzdem möchte ich Eure Zusicherung, dass das, was ich jetzt sage, hier
in diesem Raum bleibt – für alle Zeiten.« Er ließ fragend seine Augenbrauen hochschnellen.
Gero nickte beflissen. »Ihr könnt Euch auf mich verlassen, bei meiner Ehre, Sire«, flüsterte er heiser.
»Also dann«, begann d’Our leise mit vielsagendem Blick. »Unsere geheimen Quellen am Hofe in Paris haben in Erfahrung bringen
können, dass König Philipp in der Nacht von Donnerstag dem 12. auf Freitag den 13. einen Angriff auf all unsere Niederlassungen
in Franzien plant. Die Befehle liegen angeblich bereits seit September in Guillaume de Nogarets Hauptquartier. Es war anzunehmen,
dass dessen unerwartete Ernennung zum Großsiegelbewahrer nicht ohne Grund erfolgt ist. Nach allem, was wir bis jetzt wissen,
liegen im ganzen Land verteilt in den Kommandanturen der königlichen Soldaten versiegelte Botschaften vor, die entsprechende
Befehle enthalten und bei Androhung von Todesstrafe erst morgen Abend geöffnet werden dürfen. Somit bleibt uns wenig Zeit
entsprechende Vorkehrungen zu treffen.«
Gero starrte seinen Komtur ungläubig an. »Wie ist so was möglich …?«
»Die offizielle Vermutung für das Vorhaben des Königs ist«, fuhr d’Our mit einem ironischen Lächeln fort, »dass er dringend
Geld braucht, und da wir es ihm nicht freiwillig geben, sucht er einen Grund, |24| um es sich mit einem Überraschungscoup zu holen. Bei einer angekündigten Kontrolle müsste er davon ausgehen, nicht nur auf
verschlossene Türen zu stoßen, sondern auch auf verschlossene Tresore. Wegen dieser unerfreulichen Entwicklung haben wir strikte
Anweisung erhalten, alle Vermögenswerte, die in den Komtureien lagern, unverzüglich an einen sicheren Ort zu bringen. Könnt
Ihr mir folgen?«
Es dauerte eine Weile, bis Gero die Tragweite dieser arglos vorgetragenen Rede erfasste. Danach klopfte sein Herz aufgeregt,
und eine aufsteigende Hitze durchflutete seine Adern.
»Somit erteile ich Euch den Befehl«, sprach d’Our weiter, »die fünf fähigsten unter Euren Brüdern auszusuchen und mit ihnen
die uns anvertrauten Gelder und Wechselbriefe der ortsansässigen Kaufleute morgen Nachmittag in unser Depot im Wald des Orients
zu verbringen. Vorab werdet Ihr Euch in Beaulieu mit Theobald von Thors treffen, der den gemeinsamen Treck aller umliegenden
Komtureien anführen wird.«
»Wissen Papst und Großmeister davon?« Gero vergaß ganz, dass er keine Erlaubnis erhalten hatte, Fragen zu stellen. »In Sachen
Finanzen, in der Gerichtsbarkeit, bei der Wahl des Großmeisters ist es ein dem Orden verbrieftes Recht, dass sich mit Ausnahme
des Papstes niemand in unsere Angelegenheiten mischen darf, selbst wenn er ein König ist.«
»Die Befehle zum Handeln kommen direkt vom Großmeister«, erwiderte d’Our in lakonischem Tonfall. »Jacques de Molay hat uns
darüber hinaus befohlen, nichts zu unternehmen, was den König warnen könnte«, bemerkte der Komtur mit zweifelnder Miene. »Trotz
allem glaubt er nicht daran, dass Philipp von Franzien einen solch hinterlistigen Überfall wirklich wagen wird. Erst heute
haben unser verehrter Großmeister und Raymbaud de Charon als sein Vertreter der Einladung des Königs zur Beerdigung von Philipps
Schwägerin Folge geleistet. Soweit ich weiß, soll Molay in Begleitung unseres geschätzten Präzeptors von Zypern sogar den
Zipfel von Catherine de Courtenays Leichentuch tragen.« D’Ours Miene verriet, dass er diesen Umstand angesichts der drohenden
Katastrophe genauso merkwürdig fand wie Gero.
»Ich vermute dahinter einen gut überlegten Schachzug von beiden Seiten«, ergänzte er. »Frei nach dem Wahlspruch: Du sagst
mir nicht, dass du mich hasst und ich sage dir nicht, dass ich es
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