Das Geheimnis des Templers - Collector's Pack
Ihr eine kleine Vertiefung, die sorgsam mit Lehm verputzt ist. Brecht sie auf, und ergreift den darunter
liegenden Hebel. Mit ihm lässt sich eine geheime Pforte öffnen. Dahinter befindet sich die Kammer, in der das Haupt der Weisheit
verborgen liegt.«
»Ich kenne den Gang«, sagte Gero leise. »Er dient den Brüdern unter anderem als Fluchtweg. Wenn die Mönche eine Verfehlung
begangen haben, müssen sie zur Strafe die Rinne schrubben. Acht Latrinenlöcher |29| führen die Exkremente direkt dort hinein.« Ihm war anzusehen, wie unwahrscheinlich er es fand, dass ausgerechnet in diesem
stinkenden Abfluss eine Art Heiligtum verborgen sein sollte.
»Wenn Ihr dort angekommen seid«, fuhr d’Our unbeeindruckt fort, »eröffnet Ihr dem Mittelsmann ein weiteres Losungswort. Dafür
müsst Ihr die erste Strophe des zweiten Antiphon von ›Gottes Größe und Güte‹ anstimmen … Laudabo Deum meum in vita mea … Geht
Euch das zu rasch?« D’Our bedachte seinen Untergebenen mit einem fragenden Blick.
Wie betäubt schüttelte Gero den Kopf.
»Was Bruder Struan und Bruder Johan angeht, so werdet Ihr sie nur insoweit einweihen, wie es Euch notwendig erscheint. Es
reicht vollkommen aus, wenn Sie darum wissen, dass sie Euch in die deutschen Lande begleiten müssen. Alles weitere erfahren
sie – wie Ihr selbst – vor Ort vom Bruder des Hohen Rates.«
»Und was geschieht, wenn der Überfall auf den Orden gar nicht stattfindet?« Geros Blick offenbarte seine Ratlosigkeit.
»Dann hat unser Großmeister Recht behalten, und der angekündigte Orkan rast tatsächlich, ohne einen Schaden zu hinterlassen,
an uns vorüber«, bemerkte d’Our mit einem fatalistischen Unterton in seiner Stimme. »Natürlich bleibt dann alles beim Alten.
Ihr werdet nicht fliehen, und unser heutiges Gespräch hat nie stattgefunden. Deshalb ist es Euch auch nicht erlaubt, irgendjemanden
in die Einzelheiten einzuweihen, bevor sich nicht abzeichnet, wohin die Reise geht. Wie ihr wisst, wimmelt es allenthalben
von Spionen. König Philipp darf keinesfalls erfahren, wo unsere Quellen sprudeln.«
»Gesetzt den Fall, es kommt zur besagten Verhaftungswelle, wird man uns auch außerhalb Franziens verfolgen?«
»Das wird nicht geschehen«, erwiderte d’Our mit einer erstaunlichen Sicherheit in der Stimme. »Wenn alles so kommt, wie es
sich abzeichnet, wird man den Orden in den deutschen Landen fürs Erste unbehelligt lassen. Trotz allem müsst Ihr auf der Hut
sein. Und dass Ihr Euch in Franzien nicht erwischen lassen dürft, versteht sich von selbst.«
Gero nickte steif. Begreifen konnte er all das nicht, aber er war schließlich darauf gedrillt, Befehle entgegen zu nehmen,
gleichgültig, ob er ihre Tragweite verstand oder nicht.
|30| »Noch eins«, sagte d’Our. »Ich möchte, dass ab sofort alle Ritter Ihre Herkunftsnachweise mit sich führen, sobald sie die
Komturei verlassen. Gebt das an Eure Brüder weiter!« Der Komtur erhob sich. »Die heilige Jungfrau soll über Euch wachen, Bruder
Gerard.«
»Und über Euch, Sire«, erwiderte Gero kaum hörbar, als er sich ebenfalls erhob. Ihn schwindelte, und er musste schlucken,
als er seinem Komtur in die hellen, wachen Augen sah. »Was wird aus Euch, Sire?«
»Macht Euch keine Sorgen«, erwiderte d’Our und klopfte ihm auf die Schulter.
»Ihr seid mein Garant dafür, alles getan zu haben, was dem Orden zur Rettung genügen wird. Ich weiß, ich kann mich auf Euch
verlassen. Denkt immer daran, nicht nur der Orden ist in Gefahr, wenn der schöne Philipp bekommt, was er will. Die ganze Menschheit
steht auf dem Spiel. Der Niedergang unseres Ordens würde Millionen das Leben kosten und Krieg, Hunger und Verdammnis in die
christliche Welt bringen, und das auf Hunderte von Jahren hinaus.«
2
Mittwoch, 11. Oktober 1307, abends – Fin Amor
Mit einem Gefühl, als hätte ihn der Schlund der Hölle geradewegs auf den Treppenabsatz gespuckt, fand Gero sich draußen vor
dem Gebäude wieder.
Die Ausführungen seines Komturs waren beängstigend genug, um seinem Leben schlagartig alle Freude zu nehmen. Trotzdem musste
er einen kühlen Kopf bewahren.
Bevor er die exakt behauenen Stufen hinunterging, hielt er sich einen Moment lang am Gemäuer fest, um nicht das Gleichgewicht
zu verlieren.
Ohne Umweg begab er sich dann zum Dormitorium, einem lang gezogenen Mannschaftsbau, gegenüber dem Haupthaus, der die Schlaf-
und Wohnstätten der Ritterbrüder und Sergeanten
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