Das Geheimnis des Templers - Collector's Pack
weiß. Ich hingegen |25| glaube nicht, dass der König sein Ansinnen aufgeben wird, den Orden in seinen Besitz zu bringen, schon gar nicht wegen einer
solch einfältigen Geste. Und was den Papst betrifft, so hat dieser längst keine eigene Meinung mehr. Er steht finanziell mit
dem Rücken zur Wand – etwas, das er mit unserem schönen Philipp gemeinsam hat, und nichts schmiedet so leicht Allianzen wie
geteiltes Leid. Zudem droht das Herz des Papstes in Angst zu ertrinken. Nachdem seine Vorgänger Bonifatius VIII. und Benedikt
XI. so unvermittelt und rätselhaft ins Jenseits befördert wurden, wird er sich jeden Schritt, den er tut, gebührlich überlegen,
um zu verhindern, dass es ihm genauso ergeht.« D’Our setzte ein ironisches Lächeln auf. »Aber das ist längst noch nicht alles«,
fügte er verschwörerisch hinzu. »Es existiert eine Art Vorsehung«, erklärte er knapp. »Diese bestätigt den beginnenden Untergang
des ›Ordens der armen Ritter Christi vom Tempel Salomons‹ im Herbst des Jahres 1307 und die Verhaftung aller Templer in Franzien
durch König Philipp IV. an einem Freitag den 13.«
Gero blickte erschocken auf, doch d’Our vollführte eine beschwichtigende Handbewegung. »Was allerdings nicht bedeutet, dass
unser Schicksal bereits besiegelt wäre. Molay weiß davon, aber er glaubt an die Rettung des Ordens durch den Allmächtigen,
und sei es im letzten Augenblick. Daher bin ich weder befugt, etwas zu unternehmen, das die Angehörigen des Ordens generell
in Alarmbereitschaft versetzt, noch darf ich den Befehl zur Flucht erteilen.«
»Was hat das alles zu bedeuten?« Gero spürte, wie seine Knie weich wurden.
»Habt Ihr schon einmal etwas vom ›Hohen Rat‹ gehört?«
»Selbstverständlich.« Zusehends stellte sich Gero die Frage, in welche ungeheuerlichen Geheimnisse des Ordens der einfache
Komtur von Bar-sur-Aube sonst noch eingeweiht war. Unter den gewöhnlichen Ritterbrüdern wusste kaum jemand etwas über den
Hohen Rat der Templer. Manche Kameraden frotzelten, er sei so geheim, dass es ihn womöglich gar nicht gäbe.
»Soweit mir bekannt ist, handelt es sich um die vertrauenswürdigsten unter all unseren Brüdern.« Gero war seine Unsicherheit
anzumerken, als d’Our nicht sofort reagierte. »Nach einem speziellen Kodex auserwählt. Gesichtslose Gestalten, von denen niemand
weiß, ob sie wirklich |26| existieren. Es heißt, sie beraten den Großmeister in allen entscheidenden Fragen, die den Orden betreffen, und angeblich sollen
sie über seherische Fähigkeiten verfügen, aber ich kenne niemandem, der schon einem von ihnen begegnet wäre.«
»Einer von ihnen steht vor Euch«, sagte d’Our unumwunden.
»Ihr?« Gero sah seinen Komtur entgeistert an, doch dann besann er sich augenblicklich. »Nicht, dass Ihr denkt, ich halte Euch
nicht für würdig genug, aber …«
D’Our lächelte matt. »Bei der Auswahl geht es nicht nach dem Dienstgrad. Man wird nach seinen Fähigkeiten ausgewählt und zur
Tarnung in ein unbedeutendes Amt eingewiesen.«
Gero nickte abwesend, während er sich überlegte, wer noch alles zum inneren Kreis gehören konnte, ohne dass auch nur irgendjemand
die leiseste Ahnung davon hatte.
»Ist Euch die Bezeichnung ›Haupt der Weisheit‹ ein Begriff?« D’Our sah ihn auffordernd an.
»›Haupt der Weisheit‹? Meint Ihr das viel beschworene Haupt des Baphomet?«, fragte Gero zögernd.
»Baphomet ist aus dem Bedürfnis nach gefährlichen Halbwahrheiten entstanden, weil hohe Mitglieder des Ordens sich nicht an
ihr Schweigegebot halten konnten und meinten, sie müssten mit etwas prahlen, was sie selbst nie zu Gesicht bekommen haben.«
D’Ours Miene verfinsterte sich schlagartig, während ihm ein Schnauben entfuhr. »Unseligerweise haben einige dieser falschen
Kopien jenes Baphomet mit dazu beigetragen, dass König Philipp es auf uns abgesehen hat.«
»Wovon sprecht Ihr?«
»Philipp IV. hat seine Witterung aufgenommen. Er glaubt schon seit längerem, all unser Wissen würde einer geheimen Magie entspringen.«
»Ist dieses Haupt etwas Heiliges?«, fragte Gero zögernd, wobei er zugleich die unbestimmte Befürchtung hegte, d’Our könne
ihn für einfältig halten, weil er nichts Genaues darüber wusste. Selbstverständlich war er mit allen religiösen Lehren des
Abend- und des Morgenlandes vertraut. Er hatte die streng geheime Bibel der Katharer gelesen, die in zwei erbarmungslosen
Kreuzzügen fast vollständig
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