Das Geheimnis des Templers - Episode IV: Gefährliche Versuchung (German Edition)
beinahe jeden Einzelnen in der andächtig lauschenden Menge. „Wäre jemand unter euch, der von etwas wüsste, weshalb er nicht mit Recht Bruder werden könnte, der sage es, denn es ist besser, dass solches vorher angezeigt werde als nachher, wenn er vor uns geführt ist.“
Gero spürte, wie seine Anspannung wuchs, als ihn der eindringliche Blick von Odo de Saint-Jacques traf, der ihn fast zu durchbohren drohte. Der weiß gewandete Kommandeur mit der quer verlaufenden Narbe im Gesicht verzog keine Miene, und doch ahnte Gero, dass der Mann mehr über seine Eskapaden wusste, als ihm lieb sein konnte. Aber er schwieg wie alle anderen auch.
„Willigt ihr also ein, edle Herren und Brüder“, fuhr der Kaplan fort, „dass man die hier Versammelten in Gottes Namen zu uns kommen lasse?“
Einen Moment herrschte Schweigen, doch dann hoben alle, die im Orden etwas zu sagen hatten, zu einem gemeinschaftlichen Bekenntnis an: „Lasset sie in Gottes Namen kommen!“
Die Templernovizen mussten nun einzeln vortreten, wie sie es in den Unterweisungen der letzten Wochen gelernt hatten, und mit gefalteten Händen vor dem Großmeister niederknien.
Als sie in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen wurden, trat Gero als einer der Ersten hervor und sagte seinen auswendig gelernten Text auf. „Herr, ich bin gekommen vor Gott, vor Euch und Euren Brüdern, und bitte Euch um Gottes und Unserer Lieben Frau willen, mich in Eure Gesellschaft und die Wohltaten des Ordens aufzunehmen. Als einen, der sein Leben lang Knecht und Sklave des Ordens sein will.“
Gero hatte unvermittelt das Gefühl, neben sich zu stehen und die ganze Szenerie nur zu beobachten. Obwohl er diesem Moment lange entgegengefiebert hatte, empfand er die Worte, die man ihm auferlegte, als fremd und hohl klingend. Nachdem auch der Letzte die verlangten Zeilen heruntergebetet hatte, erhob sich Jacques de Molay und sprach die entscheidende Losung, die ihre Aufnahme besiegeln würde:
„Ihr habt hinfür keinen eigenen Willen mehr“, bekräftigte er mit Nachdruck in der Stimme. „Wenn ihr im Gelobten Land sein wollt, wird man euch jenseits des Meeres schicken. Wenn ihr schlafen wollt, wird man euch befehlen zu wachen. Wenn ihr essen wollt, wird man euch befehlen, etwas anderes zu tun.“
Dann hob er mit feierlicher Miene die Bibel, die ihm ein Ordensritter gereicht hatte. „Seht hier das heilige Evangelium, Gottes Wort, und antwortet die Wahrheit auf alle Fragen, die wir euch stellen werden, denn wenn ihr lügt, begeht ihr einen Meineid und werdet aus dem Orden gestoßen, wovor euch Gott behüte.“
Es folgten eine Reihe von Erkundigungen nach ihrer adligen Herkunft und der christlichen Ehe ihrer Eltern und der Eid darauf, dass sie weder verheiratet noch irgendeiner Frau ein Eheversprechen schuldig geblieben waren.
Hier und da ging ein ungeduldiges Raunen durch die Reihen.
Eigentlich hatten sie diese Fragen bereits bei ihrer Aufnahme als Novizen beantworten müssen, also hatten sie allem Anschein nach mehr symbolischen Charakter.
Danach verlangte der Großmeister von allen Kandidaten einen Schwur, der ihnen unbedingten Gehorsam, lebenslange Keuschheit und den eisernen Willen, Jerusalem von den Heiden zu befreien, abverlangte.
Nachdem alle einvernehmlich mit einem „Ja, Herr, so Gott will“, geantwortet hatten (und damit offenließen, was geschehen würde, wenn Gott der Herr die genannten Bedingungen nicht akzeptierte), besiegelte der Großmeister im Namen Gottes und der Jungfrau Maria, des Papstes und aller Brüder des Tempels ihre endgültige Aufnahme in den Orden.
Im nächsten Moment wurden sie aufgefordert, sich zu erheben, und der Drapier trat hervor und legte mit Hilfe eines Bruders der Verwaltung jedem Einzelnen von ihnen einen neu geschneiderten weißen Kapuzenumhang über die Schultern, auf dessen linker Seite ein handtellergroßes, gut sichtbares rotes Tatzenkreuz aufgenäht war.
Danach mussten sie einzeln vortreten, um vom Großmeister höchstpersönlich den Ordenskuss zu empfangen. Jacques de Molay küsste jedem von ihnen auf den Mund. Eine federleichte Geste, die das Vertrauen und die Treue der jungen Ritter gegenüber ihrem Ordensmeister noch einmal besiegeln sollte. Danach zelebrierte der Kaplan eine heilige Messe zu Ehren der Jungfrau Maria, bei der er wie bei den Templern üblich auf den Schlusssegen verzichtete.
Später im Dormitorium löste sich die Anspannung, und die meisten freuten sich anscheinend darüber, bereits am nächsten Tag den
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