Das Geheimnis des Templers - Episode IV: Gefährliche Versuchung (German Edition)
Schlafsaal der Ritterbrüder für sich in Anspruch nehmen zu dürfen.
Gero war noch ganz gefangen von der Idee, nun tatsächlich ein Tempelritter zu sein, ein Streiter Christi, was auch immer das bedeuten mochte. Für einen kurzen Moment überlegte er, ob sein Vater nun endlich mit ihm zufrieden sein würde. Beinahe ehrfürchtig legte er seinen Mantel ab und entledigte sich seiner weißen Hose und seines weißen, knielangen Hemdes, das wie der Mantel aus ungebleichter Wolle gefertigt war. Als er sich nur noch mit seiner Unterwäsche bekleidet zur Nachtruhe begab, regte sich Fabius im Bett nebenan.
„Und?“, fragte ihn der Luxemburger, der offenbar – wie so einige andere auch – am liebsten in dem neuen Mantel geschlafen hätte. „Wie fühlst du dich als vollwertiger Templer?“
„Nicht anders als vorher“, gab Gero nachdenklich zurück und kroch mit einem Seufzer, der alle Anspannung löste, unter die graue Wolldecke.
„Mit dem Unterschied“, resümierte Bruder Brian, der sich auf der Schlafstatt hinter Gero zur Ruhe begab, „dass wir in Kürze endlich in einen echten Krieg ziehen dürfen, gegen echte Heiden und nicht gegen verblödete Kameraden, die nichts Besseres zu tun haben, als sich zu betrinken.“
Als Gero sich zu ihm umdrehte, sah er, wie die Wangen seines Kameraden immer noch vor Aufregung glühten.
„Vergiss nicht, dass die lombardischen Säufer uns nach Antarados begleiten werden und wir an ihrer Seite in den Kampf ziehen müssen.“
„Wir werden den Mameluken schon zeigen, wo es langgeht“, ereiferte sich Nicolas mit seiner weibischen Stimme. Wahrscheinlich würde er der Erste sein, den es in einem Kampf gegen die Heiden erwischte, dachte sich Gero und betrachtete zweifelnd die schmächtige Gestalt des Genuesen.
Er fragte sich nicht zum ersten Mal, wie sich all die Männer um ihn herum jemals in jene Engeldämonen verwandeln sollten, die er als Kind so gefürchtet und gleichzeitig so sehr bewundert hatte. Im Moment wirkten sie eher wie aufgeregte Chorknaben, die den lateinischen Text, den sie singen sollten, nur dem Klang nach auswendig konnten – von dessen Bedeutung jedoch nicht die geringste Ahnung hatten.
Während die anderen noch über ihre zukünftigen Heldentaten debattierten, dachte er an Lissy, die vielleicht gerade aus dem Himmel auf ihn herabblickte und bereits darauf wartete, ihn möglichst bald in ihre Arme schließen zu können. Aber was wäre, wenn sie ihn in Wahrheit gar nicht mehr wollte, und das nur, weil er schwach geworden war und bei einer Hure gelegen hatte?
Unvermittelt erschien Warda vor seinem geistigen Auge, wie sie ihn davor warnte, ein leibhaftiger Templer zu werden.
Nach dem Vortrag des Marschalls hatte ihn eine dunkle Ahnung beschlichen, was sie mit ihren Unkenrufen gemeint haben könnte. Aber nun war es zu spät. Er würde selbst herausfinden müssen, ob seine Zukunft und die des Ordens tatsächlich so düster war, wie sie es beschrieb.
„Ich bin beinahe ein wenig enttäuscht“, flüsterte Fabius, als der wachhabende Bruder sie zur Nachtruhe mahnte. „Weil bei der Aufnahme nichts von dem eingetreten ist, was man sich allgemein so erzählt.“
„Hättest du unseren Großmeister lieber auf den Arsch geküsst?“, frotzelte Gero leise.
„Nein! Um Himmels willen.“ Fabius verzog angeekelt das Gesicht. „Sein Mund war schon schlimm genug.“ Er grinste und rollte sich auf die Seite. Doch dann drehte er sich noch einmal zu Gero herum. „Sie hätten uns wenigstens in einige ihrer Geheimnisse einweihen können, findest du nicht?“
„Welche Geheimnisse meinst du denn?“
„Na, zum Beispiel diesen sprechenden Kopf, von dem sich manche erzählen, oder woher sie all ihr geheimes Wissen beziehen.“
„Sprechender Kopf?“ Gero hob eine Braue. „Offenbar ist mir da etwas entgangen“, flüsterte er. „Wenn du mich fragst, war das Mysterium der hurenden Engel mir schon Geheimnis genug.“
Bereits am nächsten Tag sollte Fabius’ Sehnsucht nach den grundlegenden Geheimnissen des Ordens zumindest zum Teil befriedigt werden. Zur Vorbereitung der Reise nach Antarados wurden sie schon früh in das provisorische Dienstzimmer von Bartholomäus de Chinsi gerufen, der mit ihnen zusammen zum Hafen nach Famagusta reiten würde, wo der Orden weitere Kommandanturen besaß. Von dort aus würde der oberste militärische Befehlshaber der Templer mit ihnen nach Antarados übersetzen.
Nachdem der Letzte der jungen Ordensritter den Raum betreten hatte, wurde
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