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Das Geheimnis des toten Fischers

Das Geheimnis des toten Fischers

Titel: Das Geheimnis des toten Fischers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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habe keinen Abschluß
gemacht; dort oben war es so verdammt kalt, daß mir die Finger erfroren sind
und ich überhaupt nicht spielen konnte. Also bin ich zurückgekehrt ins sonnige
Kalifornien und zu einem Leben in den Niederungen der Kunst.«
    »Aber Sie üben noch Ihre Musik aus.«
Ich deutete auf den Flügel.
    »O ja. Die ist meine erste Liebe.« Er
hielt inne und sah mich direkt an. »Und was ist mit Ihnen? Sie sagten, Sie
seien Privatdetektivin. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Ich fand augenblicklich in die
Wirklichkeit zurück; vermutlich hatte er noch gar nicht erfahren, daß Jane
Anthony tot war. »Ich bin hier, um eine Vermißte zu suchen. Eine ehemalige
Freundin von Ihnen — Jane Anthony.«
    Seine Lippen zuckten unter dem
buschigen Schnurrbart. »Hm. Janie.« Dann richtete sich sein Blick auf einen
Punkt irgendwo hinter mir. »Seltsam, ich habe lange nicht an sie gedacht.«
    »Dann haben Sie wohl keinen sehr engen
Kontakt mehr mit ihr?«
    »Eigentlich gar keinen mehr. Wir sind
nicht mehr befreundet.«
    »Warum nicht?«
    Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid,
aber das geht nur mich etwas an.«
    »Vielleicht nicht ganz.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ihre Beziehung zu Jane könnte auch die
Polizei interessieren. Jane ist tot.«
    Er richtete den Blick sofort wieder
direkt auf mich. »Tot?«
    »Sie wurde gestern abend ermordet,
erstochen — am alten Pier in Salmon Bay.«
    Er zuckte zusammen. »Das ist nicht
möglich.«
    »Es tut mir leid, aber es ist die
Wahrheit.«
    »Mein Gott.« Sein Gesicht nahm einen
gequälten Ausdruck an, und er senkte den Blick zu Boden. »Wer hat es getan?«
    »Das weiß man noch nicht.«
    »Mein Gott. Janie.«
    »Wollen Sie über sie sprechen?«
    »Es gibt nicht viel darüber zu sagen.
Wir sind ein paar Jahre miteinander gegangen. Sie war ein kluges Mädchen,
verstand viel von Musik und Kunst, hatte eine Menge Interessen — Photographie,
Science-fiction-Literatur. Sie hat gern gesegelt. Und sie war eine starke
Persönlichkeit. Sie wußte, was sie vom Leben verlangte.«
    Ich wartete ab, und da er schwieg,
fragte ich: »Was war das?«
    Er blickte auf und schaute mich an. In
seinen Augen standen Tränen, und sie waren traurig. »Nun, jedenfalls nicht
mich. Wenn sie mich gewollt hätte, dann säße sie jetzt hier neben mir.«
    »Das klingt so, als ob Sie sie sehr
geliebt hätten.«
    »Ja, ich glaube, ich habe sie sehr
geliebt.«
    Wir saßen schweigend eine Zeitlang da,
dann nahm ich meine Handtasche und wollte aufstehen. Del Boccio streckte mir
abwehrend die Hand entgegen. »Nein, bitte gehen Sie nicht.«
    »Ich dachte, Sie wollen jetzt
vielleicht allein sein.«
    »Nein, lieber nicht. Wie wär’s, wenn
ich uns ein Frühstück mache?«
    Ich hatte zwar schon Kaffee getrunken
und zwei Stück Toast gegessen, konnte aber dem Angebot nicht widerstehen.
Außerdem war es möglich, daß mir Don Del Boccio etwas berichtete, was mein Bild
von Jane noch ergänzte und mir vielleicht sogar einen Hinweis darauf geben
konnte, wer einen Grund gehabt hatte, sie zu ermorden. »Also gut«, stimmte ich
zu, »aber nur, wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe macht.«
    Er sprang auf, war offenbar froh
darüber, sich ablenken zu können. »Sie sehen in mir einen der größten Köche der
Welt, Madam. Nichts macht Del Boccio zuviel Mühe.«
    Er ging zur Küchenzeile hinüber und
begann herumzuhantieren, wobei er einen Monolog über seine Lieblingsrestaurants
hielt, sowohl die hier in der Umgebung, als auch die in San Francisco. Ich
fragte mich, ob er der Typ war, der sich stets wie auf der Bühne fühlte, oder
ob das seine Art und Weise war, sich von Janes Tod abzulenken. Aber der
ununterbrochene Wortschwall schien seine Kochkünste nicht zu beeinträchtigen,
denn in kürzester Zeit hatte er ein köstliches Frühstück zustande gebracht und
stellte es jetzt auf einem riesigen Tablett zwischen uns auf dem blauen Teppich
ab. Ich schaute mit wachsendem Appetit auf die Rühreier mit Schinken, die
Brötchen, den Käse und die Flasche trockenen Weißwein.
    »Warum nicht ein bißchen üppig, auch
wenn wir dazu auf dem Boden sitzen?« Er schenkte Wein in geschmackvolle
Stielgläser und forderte mich auf zuzugreifen. Dann schmierte er sich ein
Brötchen mit weißem Käse und fiel wieder in einen Monolog, diesmal über Port
San Marco.
    »Gefällt es Ihnen hier? Also, ich mag
die Stadt, auch wenn sie sich sehr verändert hat seit meiner Kinderzeit. Früher
war das der Heimathafen einer ganzen Fischerflotte. Manche Familien

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