Das Geheimnis des toten Fischers
stieg
ein und schaltete die Heizung ein, dann blieb ich sitzen und wartete, bis die
Scheiben klar wurden. Ich konnte nichts tun, als zurückzufahren in mein Motel
und Snelling anrufen. Mein Fall war zu Ende — aber war er das wirklich?
Vielleicht wollte Snelling, daß ich die Sache noch weiterverfolgte und
beobachtete, was die Polizei in der Mordsache Jane ermittelte.
Ais ich mein Zimmer betrat, sah ich,
daß der rote Knopf an meinem Telephon leuchtete; das bedeutete, daß für mich
eine Nachricht am Empfang hinterlegt war. Eine schläfrige Stimme an der
Rezeption richtete mir aus, ich solle Hank Zahn anrufen. Es war zwar schon
spät, aber ich wußte, daß mein Chef sehr lange im Büro zu bleiben pflegte, also
wählte ich zuvor Snellings Nummer. Doch dort ging keiner an den Apparat.
Seltsam, dachte ich. Wo konnte der
einsiedlerisch lebende Photograph um ein Uhr morgens sein? Ich versuchte es
noch einmal, um sicher zu gehen, daß ich die richtige Nummer gewählt hatte,
aber das Ergebnis war dasselbe. Sehr seltsam. Ich dachte eine Zeitlang darüber
nach, kam zu keinem Ergebnis und rief daraufhin Hank an.
Er meldete sich am Apparat, und seine
Stimme klang so frisch, als ob es neun Uhr vormittags wäre. Hank war ein
drahtiger Mann, dessen schlaksiger Körper nicht viel mehr zu brauchen schien
als Kaffee und die gräßlichen Dinge, die er sich in der Küche von All Souls
selbst zusammenbraute. Sein scharfer Geist nahm alle erdenklichen Informationen
auf, wobei er aus allen zugänglichen Quellen schöpfte, Zeitungen aus mehreren
größeren Städten, Vorlesungen wenig bekannter Experten über die Grenzwissenschaften,
selbst das, was auf den Pappkartons der Cornflakes stand, die er zum Frühstück
verspeiste. Weder sein Geist noch sein Körper brauchten viel Schlaf.
»Ich habe nur angerufen, um zu hören,
wie die Untersuchung läuft.«
»Nicht gut.«
»Wie das?«
»Die Frau, die ich für Snelling finden
sollte, ist tot. Ermordet.«
Daraufhin entstand eine Pause. »Du
gerätst aber wirklich immer in Schwierigkeiten — muß ein besonderes Talent
sein.«
»Ja.« In den drei Jahren, die ich für
All Souls arbeitete, war ich sechsmal mit Mordfällen in Berührung gekommen.
Jane Anthony war der siebte Fall. »Es ist deprimierend. Die Mutter des Opfers
meint, wenn ich nicht herumgeschnüffelt hätte, wäre ihre Tochter noch am
Leben.«
»Und glaubst du das?«
»Nein. Es war ein rein emotionaler
Ausbruch.«
»Aber es klingt so, als ob du dich doch
mitschuldig fühlst.«
Ich zuckte mit den Schultern, dann
wurde mir klar, daß Hank das ja nicht sehen konnte. »Vom Verstand her bin ich
nicht der Ansicht. Gefühlsmäßig — wer weiß?«
Hank schien zu fühlen, daß ich nicht
näher darüber sprechen wollte. »Tut mir leid, daß es so gekommen ist. Wann
kommst du zurück?«
»Vielleicht morgen. Nachdem ich
Snelling meinen Bericht erstattet habe, melde ich mich.«
»Okay.« Wieder eine Pause. »Und, Shar —
«
»Ja?«
»Versuch jetzt, ein bißchen zu
schlafen.«
»Klar. Bis dann.« Ich legte auf, saß
eine Weile auf dem Bett und starrte gedankenverloren auf einen Riß in der Wand.
Dann stand ich auf, zog mich aus und schlüpfte unter die Decke.
Lange Zeit konnte ich nicht
einschlafen. Ich wälzte mich im Bett hin und her, knüllte die Kissen zusammen
und versuchte, nicht an den leblosen Körper von Jane Anthony zu denken. Als ich
schließlich eindöste, erwachte ich bald darauf aus einem schrecklichen Alptraum
und war schweißgebadet. Da das graue Licht der Morgendämmerung schon durch die
Vorhangspalten hereindrang, entschied ich mich, den Versuch, Schlaf zu finden,
aufzugeben und setzte mich im Bett auf, um nachzudenken.
Schließlich stand ich auf, schluckte
drei Aspirin gegen meine Benommenheit und nahm eine Dusche. Das half wenig. Als
ich angezogen war, nahm ich das Telephon zur Hand und rief bei Snelling an. Ich
ließ es klingeln, aber niemand kam an den Apparat.
Was nun? fragte ich mich. Zurück in die
Stadt? Aber wenn Snellingfalls ich ihn irgendwann erreichte — den Wunsch hatte,
daß ich die Sache weiterverfolgte? Also entschloß ich mich erst einmal zu
frühstücken und dann Don Del Boccio aufzusuchen, wie es meine Absicht gewesen,
bevor Janes Leichnam gefunden worden war.
Die Adresse des Diskjockeys stand im
Telephonbuch. Er wohnte im alten Kern der Stadt, nicht weit vom Hafen entfernt.
Die Häuser im Zentrum waren ›Paläste‹ aus weißgetünchtem Holz, erbaut von den
Familien, die in den
Weitere Kostenlose Bücher