Das Geheimnis des toten Fischers
tat
wahrscheinlich das gleiche. Dann sagte ich: »Eines wollte ich Sie fragen: Hat
Jane Anthony Sie an Ihrem Stil als Photograph erkannt?«
Er schaute mich überrascht an. »Ja. Wie
sind Sie darauf gekommen?«
»Ich bin zwar Amateur, aber ich habe
ein Auge für stilistische Dinge. Ihr Stil ist unverkennbar; jeder, der Andy
Smiths Photos gesehen hat, mußte sich wundern, warum Abe Snellings Bilder so
erstaunlich ähnlich waren.«
»Genauso ist mir Jane draufgekommen.
Sie kannte meine Arbeiten von ein paar kleinen Ausstellungen in Port San Marco
her. Eines Tages stand sie einfach in San Francisco auf meiner Schwelle. Sie
hat mich erkannt, trotz meines veränderten Aussehens, und verlangte, daß ich
sie aufnehmen sollte bei mir, und eine monatliche — Apanage, so hat sie es
genannt.«
»Ein anderes Wort für Erpressung.«
Snelling nickte. »Wissen Sie, als ich
damals nach San Francisco ging, da wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, daß mich
jemand an meinen Photos erkennen würde. Ich fürchtete vielmehr, man würde mich
trotz meines veränderten Aussehens erkennen. Deshalb hab’ ich anfangs ständig
eine Kamera bei mir gehabt — weil man sie als Deckung benützen kann.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wenn man eine Kamera in Händen hält,
achten die Leute nicht auf den Photographen. Das ist Ihnen doch bestimmt schon
aufgefallen. Der Photograph ist nur die anonyme Gestalt hinter dem schwarzen
Kästchen.«
»Jetzt, da Sie es erwähnen — ja, das
ist mir schon aufgefallen.«
»Wenn etwas Ironie des Schicksals ist:
Jane hat mich an meinen Photos erkannt.«
»Wie konnten Sie mit ihr in einem Haus
leben, wenn Jane Sie erpreßte?«
Snelling rückte ein Kissen zurecht.
»Zuerst war es schrecklich. Ich habe sogar überlegt, ob ich irgendwas
inszeniere, daß sie einen Unfall hat, in der Dusche ausrutscht oder so. Aber
das hätte ich nicht fertiggebracht. Das war mir schon viel früher klar, als
meine eigene Frau mich bat, sie von den Schmerzen zu erlösen, und ich war nicht
dazu imstande. Ich glaube aber, Jane hat meine Absicht geahnt und zur
Sicherheit einen Brief geschrieben, in dem sie mitteilte, wer ich war, daß sie
mich erpreßte und daß ich verantwortlich wäre, wenn ihr etwas Ungewöhnliches
zustoßen würde. Sie hat den Brief ihrer Mutter gegeben, damit er im Fall ihres
Todes geöffnet werde. Aber bis jetzt ist er nicht aufgetaucht.«
»Ich zweifle, daß er jemals auftauchen
wird. Mrs. Anthony hat ihn vielleicht geöffnet, und als sie merkte, was ihre
Tochter spielte, brachte sie es nicht fertig, den Brief irgend jemandem zu
zeigen.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht.
Jedenfalls, so seltsam das klingt, aber irgendwie haben wir uns angefreundet,
Jane und ich. Es war die Beziehung eines Gefängniswärters zu seinem Gefangenen.
Wir unterhielten uns über Photographie, und ich habe ihr meine Dunkelkammer
überlassen.«
»Und während der ganzen Zeit bezahlten
Sie für ihr Schweigen?«
»Ja. Ich glaube, sie hat das Geld
gespart, hatte wohl die Absicht, Keller aus seinen finanziellen Schwierigkeiten
zu retten.«
»Sie wußten Bescheid über Keller?«
»Nur, daß sie irgendwo einen Freund
hatte. Ich wußte nicht, daß es Keller war, bis Sie es mir vor ein paar Tagen am
Telephon gesagt haben.« Er ließ eine Pause entstehen, und über seine Augen fiel
ein Schatten. »Wissen Sie, wenn Jane und ich nicht dieses
Freund-Feind-Verhältnis gehabt hätten, wären sie und die anderen noch am
Leben.«
»Warum sagen Sie das?«
»Ein paar Tage, bevor sie verschwand,
half sie mir beim Sortieren meiner Negativkartei. Dabei müssen ihr die Negative
von Liz Schaff in die Hände gefallen sein, die ich am Blue Owl Café geschossen
hatte, und sie hat wohl angefangen, sich Fragen zu stellen.«
»Warum haben Sie eigentlich damals
diese Photos aufgenommen?«
»Ich erkannte Liz als jemanden, den ich
von ›The Tidepools‹ kannte, und hatte das Gefühl, ich sollte ihre Anwesenheit
in San Francisco dokumentieren. Doch dann passierten dieser Raubüberfall und
die Schießerei. Und bei all dem, was sich seither in meinem Leben ereignet hat,
habe ich die Negative völlig vergessen.«
»Und Jane fiel dabei das gleiche auf,
was mir und Ihnen aufgefallen war: daß Liz darauf nicht Schwesterntracht trug,
sondern den weißen Hosenanzug der Pharmazeutin.« Es war mir damals, als sie mit
mir beim Essen gewesen war, gar nicht aufgefallen, aber es war ein kühler Tag
gewesen, und sie hatte ihren Mantel anbehalten. »Jane muß
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