Das Geheimnis des verlassenen Schlosses
Anordnungen des Weisen Scheuchs und dessen Freunde gehorsam
befolgte, konnte die Fremdlinge für sich einnehmen. Ilsor half ihm dabei nach Kräften.
Sooft sich Gelegenheit bot, lobte er vor Baan-Nu den gefangenen Bellioren über alle
Maßen:
„Das ist eine aufnahmefähige, vernünftige Kreatur”, sagte er:
„Mentacho ist sehr vertrauensselig und erweist uns große Dienste.”
Die Menviten gestatteten dem ehemaligen König und Elvina sogar, ohne jede
Bewachung in der Nähe des Häuschens spazieren zu gehen. Auch wurde ihre Tür
nicht mehr verschlossen. Diese relative Freiheit kam Mentacho wie gerufen. Er konnte
sich nun ungehindert mit Kastaglio treffen. Die häufigen Waldspaziergänge des
Webers und seiner Frau erregten keinen Verdacht. Die alten Leutchen gingen halt
Pilze sammeln. Mentacho machte kein Geheimnis daraus, daß er gern und gut aß. Die
ordentliche Elvina mit ihrem stets sauberen Schürzchen vergaß nie, ein Körbchen für
Pilze mitzunehmen.
Bekanntlich sehen vier Augen mehr als zwei. Mentacho war schlau, und Ilsor war
klug. Eines Tages riet Ilsor Mentacho zu einem Unternehmen, das die Ramerier arg
entmutigte, jedoch bewies, daß Ilsor ein aufrichtiger Freund der Erdbewohner war. Es
war eine ausgesprochene Kriegslist, und Kastaglio schrieb darüber dem Scheuch. Der
war so begeistert, daß er wie in alten Zeiten sogar zu tanzen begann und sich ein
Liedchen sang:
„Heiho! Heiho! Wir haben einen herrlichen Freund! Heiho ! Heiho ! Heiho !”
Ilsor war schon lange auf den Eisernen Ritter TilliWilli aufmerksam geworden. Da er
selbst Erfinder war, verblüffte ihn, wie tadellos dieser eiserne Mensch konstruiert war
und wie störungsfrei sein Mechanismus funktionierte.
Ilsors Vorschlag war denkbar einfach. Tilli-Willi erschien unvermittelt auf den
Straßen des Landes und suchte den Fliegern von Rameria so oft wie möglich unter
die Augen zu kommen. Er tauchte an den verschiedensten Orten auf, denn mit seinen
langen Beinen fiel es ihm nicht schwer, große Entfernungen zu bewältigen. Vor allem
aber veränderte er stets sein Äußeres: Mal war er von stahlgrauer Farbe, dann
bronzegelb, dann wieder grün und schwarzgefleckt wie eine riesige Eidechse, oder er
warf sich einen bunten Umhang um, der ihm bis zu den Füßen reichte.
Die Flieger waren überzeugt, daß sie jedes Mal einen anderen Riesen vor sich hatten.
Sie brachten dem General immer neue Fotos von diesen riesigen Rittern. Die Verwandlungen aber waren leicht bewerkstelligt. In Tilli-Willis Kabine, in der bequem ein
Mensch Platz fand, saß Lestar, nicht nur der geschickteste Meister im Lande der
Zwinkerer, sondern auch der beste Freund des Eisernen Ritters. Er hatte eine ganze
Batterie von Farbbüchsen und einen Zerstäuber bei sich. Tilli-Willi erschien einem Flieger, versteckte sich dann hinter den Bäumen in einem Hain, und Lestar übermalte ihn
schnell mit einer anderen Farbe. Dank dieser List glaubten Baan-Nu und seine Untergebenen, daß in der Nachbarschaft von Goodwinien Riesenmenschen lebten.
Mentacho bestätigte, daß gerade diese Recken König Goodwin bei seinen
hervorragenden Siegen geholfen hätten. Baan-Nu, der nun endgültig von der Existenz
der Riesen überzeugt war, befahl den Außerirdischen, sich vorerst vorsichtiger zu
verhalten als bislang. Er wollte um keinen Preis die Riesen verärgern, denn es paßte
nicht in die Pläne der Fremdlinge, Streit anzufangen, solange sie nicht zum Krieg
gerüstet waren.
Dennoch registrierten die Erdbewohner einen feindlichen Schritt gegenüber
Goodwinien. In den Weltumspannenden Bergen, in ihrem Nordteil, gab es einen Ort,
den Riesenadler bewohnten. Diese einsame Gegend hieß Adlerstal. Nach
jahrhundertealtem Brauch beschränkten die Adler die Anzahl ihres Stammes auf
hundert. Ein Jungvogel wurde erst ausgebrütet, wenn ein alter gestorben war. Die
Adlerweibchen mußten sich also beim Brüten streng an die Reihenfolge halten.
Dafür gab es ernste Gründe. Die Adler ernähren sich vom Fleisch der Gebirgsziegen
und Steinböcke. Und da sich diese Tiere nicht rasch vermehren, hätten die Riesenvögel
sie leicht ausrotten können.
Einstmals war das Stammesoberhaupt der Adler ein gewisser Arraches gewesen. Er
wollte einen anderen Adler namens Karfax um die Reihenfolge beim Ausbrüten eines
Adlerjungen betrügen. Doch der edle Karfax besiegte den Hinterlistigen und wurde zum
Anführer des Stammes. Sein Sohn war der Jungadler Goriek. In Größe und Kraft stand
er kaum
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