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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Jasper?"
    Jasper merkte, wie seine Finger zu zittern begannen — Ausdruck des schrecklichen Elends, das ihn von innen zerfraß und das er stets zu verbergen suchte. Er ließ sein Weinglas los, aus Angst, es umzuwerfen, und verbarg hastig die Hand unter dem Tisch.
    „Jasper?", fragte seine Tante besorgt.
    Verdammt, jetzt schauten natürlich alle auf ihn. Seine Kehle war wie ausgedörrt, doch wagte er nicht, nach seinem Glas zu greifen.
    „Ja", sagte er schließlich. „Ja, es stimmt. Sir Alistair Munroe hat Narben."
    Als Jasper sich endlich von allen Gästen verabschiedet hatte, war er todmüde. Melisande hatte sich bereits kurz nach dem Essen aufs Zimmer zurückgezogen. Oben angekommen zögerte er. Wahrscheinlich war sie schon im Bett. Behutsam drehte er den Türknauf; er wollte sie nicht wecken. Doch als er leise eintrat, stellte er fest, dass sie nicht schlief. Sie kniete am Boden und bereitete ihm sein Nachtlager. Jasper wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
    Als sie ihn hereinkommen hörte, sah sie auf. „Könntest du mir die Decke vom Bett reichen?"
    Er nickte stumm, da er seiner Stimme nicht traute, ging zum Bett und zog die Decke herunter. Was musste sie nur von ihm denken? Er trat an den Kamin und reichte ihr die Decke.
    „Danke." Sie bückte sich wieder und schlug die Decke ums Plumeau, um ihm eine notdürftige Matratze zu machen.
    Ob sie fürchtete, einen Verrückten geheiratet zu haben? Er wandte den Blick ab und sah sich um. Das Zimmer war wirklich nicht groß, aber es war gemütlich. Die Wände waren blaugrau gestrichen, der Boden von einem verblichenen braunrosa gemusterten Teppich bedeckt. Jasper trat ans Fenster, zog den Vorhang zurück und schaute hinaus, aber die Nacht war so finster, dass er nichts erkennen konnte. Er ließ den Vorhang zurückfallen. Sally musste bereits hier gewesen sein und ihr abendliches Werk verrichtet haben, denn Melisande war zur Nacht umgekleidet. Sie trug ein hübsches, spitzenbesetztes Hemd und hatte sich ein Tuch um die Schultern geschlagen.
    Er streifte seinen Rock ab und begann seine Weste aufzuknöpfen. „Reizendes Dinner."
    „Allerdings."
    „Lady Charlotte war äußerst amüsant."
    „Mmm."
    Er zog sich die Krawatte vom Hals, hielt das Tuch dann in den Händen und starrte blicklos darauf. „Ich glaube, es hat mit der Armee zu tun."
    Sie hielt inne. „Was?"
    „Das." Er deutete mit dem Kinn auf das Matratzenlager, mied jedoch ihren Blick. „Wir haben unsere Marotten, all die Männer, die aus dem Krieg zurückgekehrt sind. Manche sind ausgesprochen schreckhaft, fahren schon beim geringsten Laut zusammen; andere können den Anblick von Blut nicht mehr ertragen. Viele leiden unter Albträumen. Und manche ...", er holte tief Luft und schloss die Augen, „... manche können nicht mehr ungeschützt schlafen. Sie fürchten sich, dass sie im Schlaf angegriffen werden, wenn sie völlig schutzlos sind und ... sich nicht wehren können. Sie müssen nachts mit dem Rücken zur Wand liegen, neben sich eine Kerze, damit sie die Angreifer sehen können, wenn sie kommen."
    Er öffnete wieder die Augen und sah sie an. „Es ist wie ein Zwang. Man kommt einfach nicht dagegen an."
    „Ich weiß", sagte sie.
    Ihre Augen blickten so sanft und voller Güte, als hätte sie nicht eben selbst gehört, dass ihr Mann nicht ganz bei Verstand war. Als sei nichts dabei, beugte sie sich wieder über sein Lager und strich die Decke glatt. Fast schien es, als wisse sie es wirklich, als verstehe sie ihn. Aber wie konnte sie? Und wie konnte sie es ertragen, dass ihr Gatte nicht Manns genug war und sich im Dunkeln fürchtete? Er konnte es ja selbst kaum ertragen.
    Er goss sich Wein aus der Karaffe ein, die auf dem Tisch stand, trank einen Schluck und starrte eine Weile ins Kaminfeuer, bis ihm wieder einfiel, was ihm durch den Kopf gegangen war, ehe er das Zimmer betreten hatte.
    Jasper stellte sein Glas ab und knöpfte seine Manschetten auf. „Du wirst mich für verrückt halten, aber als wir vorhin den Holdens vorgestellt wurden, kam es mir kurz so vor, als ob Timothy Holden erstaunt sei, dich zu sehen. Fast hatte ich den Eindruck, er würde dich von irgendwoher kennen."
    Sie schwieg.
    Er streifte sich die Weste ab, warf sie auf einen Stuhl und drehte sich nach Melisande um, die recht heftig ein Kissen aufklopfte. „Liebste Gemahlin?"
    Als sie sich aufrichtete und ihn ansah, hielt sie das Kinn erhoben, den Rücken so kerzengerade und die Schulter gestrafft, als müsse sie vor ein

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