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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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dass Trude vorhatte, ihrem Neffe das Ergebnis ihrer Unterhaltung direkt unter die Nase zu reiben. Wollte sie das? Ging es Mattes Ennenhof wirklich etwas an, ob sie in festen Händen war? »Ich habe mich gerade von meinem Lebensgefährten getrennt«, brach es aus Greta hervor, ehe ihr Kopf eine Entscheidung treffen konnte. Als Trude begeistert zu nicken anfing, schnappte sich Greta rasch den Rest ihres belegten Brots und verstaute die übrigen Lebensmittel im Kühlschrank. »Jetzt muss ich aber wirklich nach meinem Großvater sehen. Und meine Mutter anrufen muss ich auch noch. Am besten jetzt gleich. Vielen Dank für den Kaffee.«
    Unter Trudes gut gelauntem »Ja, ja, nur zu« flüchtete Greta aus der Küche.

16
    Greta sank tief in den Sessel, der neben Arjens Bett stand, den Blick immer noch auf das Bakelittelefon gerichtet, dessen Hörer ihr Großvater soeben aufgelegt hatte. Er sah schon sehr viel besser aus, seit er ausgeschlafen hatte, auch wenn die anhaltende Blässe seinen Zustand verriet. Seine Krebserkrankung vor drei Jahren hatte Arjen zwar viel Kraft gekostet, aber er war trotzdem ein stattlicher Mann geblieben. Spätestens nach dieser Erkältung kam Greta jedoch das Wort »zerbrechlich« in den Sinn, wenn sie ihren Großvater ansah. Seine Wangenknochen guckten spitz aus seinem Gesicht hervor, genau wie die Fingerknöchel aus seinen früher so kräftigen Händen. Jede einzelne Ader glaubte Greta unter der Haut zu erkennen, und sein Haar fiel ihm so weich in die Stirn wie bei einem kleinen Kind. Er sei in einem Alter, in dem der Tod ein guter Bekannter sei, hatte Arjen auf seinem Geburtstag gesagt und damit die Wahrheit ausgesprochen. Sein Leben ging auf sein Ende zu, und obwohl sie sich dessen natürlich durchaus bewusst gewesen war, begriff Greta es erst jetzt richtig, wo sie ihn von seiner Erkältung geschwächt erlebte.
    Arjen wird sterben. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber in nicht allzu ferner Zukunft. Und er weiß es. Nur wenn er es weiß, warum will er dann hier sein, auf dieser Insel, die er fast vergessen hatte, anstatt bei seiner Familie? Sie ahnte warum, aber im Augenblick konnte sie nur daran denken, dass sie Anette soeben – auf den ausdrücklichen Wunsch ihres Großvaters hin – erzählt hatte, dass Arjen unter Halsschmerzen litt, aber bereits auf dem Weg der Besserung sei. »Alles kein Problem«, hatte sie ihrer nachhakenden Mutter mehrfach versichert. »Ihm geht es den Umständen entsprechend gut, und ich sorge dafür, dass er streng das Bett hütet, bis auch die kleinste Nachwehe ausgestanden ist.«
    »Es gefällt mir nicht, Anette zu belügen«, stellte Greta fest. »Es ist etwas anderes, als ihr Dinge zu verschweigen.«
    »Wir haben doch gar nicht gelogen, schließlich geht es mir besser. Das Fieber ist fort, und von den Halsschmerzen sind lediglich die geschwollenen Lymphknoten geblieben. Noch ein wenig Bettruhe, und ich bin wie neu.«
    »Das würde mich, ehrlich gesagt, sehr überraschen. Wenn ich mir dich so ansehe, glaube ich nicht, dass herbstliche Strandspaziergänge deiner Gesundheit im Moment zu träglich sind. Das Wetter wird mit jedem Tag rauer, einmal davon abgesehen, dass du schon alles Wichtige gesehen hast: das Dorf, die Strände, sogar in deinem Elternhaus sind wir gewesen.« Obwohl Arjens Miene sich mit jedem ihrer Worte mehr verfinsterte, hörte Greta nicht auf, dafür waren ihre Sorgen viel zu groß. »Ich würde vorschlagen, dass du dich noch einige Tage erholst, indem du strenge Bettruhe einhältst und nicht nur Anette am Telefon erzählst, wie genüsslich du isst, sondern es auch wirklich tust. Sobald du einigermaßen sicher auf den Beinen bist, kehren wir nach Meresund zurück.«
    »Du willst unsere Reise beenden?«, unterbrach Arjen sie sichtlich erschüttert. »Ist mein Geschenk der ›gemeinsamen Zeit‹ etwa schon aufgebraucht?«
    »Nicht einmal annähernd. Sobald das Klima im Frühjahr milder wird und dein Zustand wieder stabil ist, machen wir beiden erneut die Küste unsicher, das verspreche ich dir.«
    »Aber mein Zustand wird niemals wieder stabiler werden, Greta. Versteh doch!« Arjen hatte sich vor Aufregung aufgesetzt, um schon einen Moment später wieder in sich zusammenzusinken.
    »Wie meinst du das?« Gretas Ton geriet schärfer als beabsichtigt.
    »Ich bin alt.«
    »Alt zu sein ist eine Sache. Gesundheitlich angeschlagen zu sein eine ganz andere. Gibt es etwas, das ich wissen müsste, Großvater? Etwas, das über diese Erkältung

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