Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
Vom Netzwerk:
Taschen waren leer. Aber es gibt etwas Merkwürdiges, was ich Ihnen zeigen möchte, obwohl nur der Himmel weiß, was es bedeutet. Mir wurde ganz schlecht davon, so viel kann ich sagen.«
    Lestrade nickte, und einer der Polizisten kniete sich hin, um einen kleinen, gebrochenen Arm hochzuheben. Der Hemdsärmel rutschte zurück und enthüllte ein weißes Band, das um das Handgelenk des Jungen geknotet war. »Der Stoff ist ganz neu«, sagte Lestrade. »Es handelt sich um Seide von guter Qualität, wie mir scheint. Und sehen Sie mal: Es ist weder Blut noch Schlamm von der Themse dran. Ich würde sagen, dass es dem Jungen nach seinem Tod angelegt wurde. Als eine Art Zeichen.«
    »Das House of Silk!«, rief ich aus.
    »Wie bitte?«
    »Kennen Sie es?«, fragte Holmes. »Haben Sie schon davon gehört?«
    »Nein«, sagte Lestrade. »Das House of Silk? Ist das eine Fabrik? Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Aber ich.« Holmes starrte über den Fluss, die Augen voller Horror und Selbstvorwürfe. »Das weiße Band, Watson! Das habe ich schon einmal gesehen.« Er wandte sich an Lestrade. »Vielen Dank, dass Sie mich haben rufen lassen, um mir das anzusehen.«
    »Ich hatte gehofft, Sie könnten ein wenig Licht auf die Sache werfen«, sagte der Inspektor. »Schließlich war es womöglich Ihr Fehler, dass es dazu gekommen ist.«
    »Mein Fehler?« Holmes fuhr wie von einer Wespe gestochen herum.
    »Ich habe Sie davor gewarnt, sich mit diesen Kindern einzulassen. Sie haben dem Jungen diesen Auftrag gegeben. Sie haben ihn auf die Spur eines gesuchten Verbrechers gesetzt. Ich will Ihnen zubilligen, dass es vielleicht seine eigenen Pläne waren, die zu seinem Tod geführt haben. Aber es bleibt dabei: Dies hier ist das Ergebnis Ihrer Aktivitäten.«
    Ich weiß nicht, ob Lestrade ihn bewusst provozieren wollte, aber seine Worte hatten eine ungeheure Wirkung auf Holmes. Das konnte ich auf dem ganzen Weg zurück in die Baker Street sehen. Holmes war in seine Ecke der Droschke gesunken, und den größten Teil der Strecke verharrte er schweigend. Die Haut über seinen Wangenknochen schien straffer als sonst gespannt, und er kam mir noch hagerer vor. Seine Augen weigerten sich, meinem Blick zu begegnen. Es schien, als wäre er von einer plötzlichen Krankheit getroffen. Ich machte keinen Versuch, mich mit ihm zu unterhalten. Ich wusste, er brauchte von mir keinen Trost. Stattdessen sah ich zu, wie sein gewaltiger Intellekt sich in Gang setzte, um diese neueste, schreckliche Wendung der Dinge einzuordnen und zu verarbeiten.
    »Es kann sein, dass Lestrade recht hat«, sagte er schließlich. »Ich habe meine Baker-Street-Irregulären rücksichtslos eingesetzt. Es hat mir Spaß gemacht, ihnen einen Shilling oder zwei in die Hand zu drücken, wenn sie vor mir angetreten sind, aber ich habe sie doch niemals bewusst einem Risiko ausgesetzt. Das wissen Sie, Watson. Aber jetzt werde ich des Dilettantismus bezichtigt und muss mich schuldig bekennen. Wiggins, Ross und wie sie alle heißen haben mir nichts bedeutet, sie haben mir genauso wenig bedeutet wie der Gesellschaft, die sie im Stich gelassen und auf die Straße gejagt hat, und es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass ich für so etwas Schreckliches verantwortlich sein könnte. Unterbrechen Sie mich nicht! Hätte ich es einem kleinen Jungen erlaubt, in der Dunkelheit und Kälte vor einem Hotel zu stehen, wenn es Ihr oder mein Sohn gewesen wäre? Nein! Die Logik dessen, was geschehen ist, scheintunwiderlegbar. Der Junge sah den Mörder das Hotel betreten. Wir haben beide bemerkt, wie ihn das erschütterte. Trotzdem hat er gedacht, er könnte einen Vorteil aus der Situation ziehen. Er hat es versucht und ist dabei gestorben. Dafür muss ich die Verantwortung übernehmen.
    Andererseits – wie passt das House of Silk zu dieser Geschichte? Und was soll das weiße Band am Handgelenk des Kindes? Das ist die Schlüsselfrage dieser Angelegenheit, und wieder habe ich Schuld auf mich geladen. Ich bin gewarnt worden! Das ist die Wahrheit. Ich frage mich manchmal, ob ich diesen Beruf nicht aufgeben und mein Glück woanders suchen sollte, Watson. Es gibt noch ein paar Monographien, die ich gern schreiben würde. Und außerdem hatte ich immer Lust, Bienen zu züchten. Aufgrund dessen, was ich in diesem Fall bisher geleistet habe, dürfte ich mich jedenfalls nicht Detektiv nennen. Ein Kind ist gestorben. Und Sie haben gesehen, was ihm angetan wurde. Wie soll ich damit leben?«
    »Mein lieber Freund

Weitere Kostenlose Bücher