Das Geheimnis meiner Mutter
Spaghetti, einen Salat und Brot aus der Bäckerei. Nichts Aufregendes, aber dafür mit umso mehr Großzügigkeit und Liebe serviert. Das Campingthema setzte sich in den Papptellern und dem Plastikbesteck fort, allerdings hatte Greg tatsächlich echte Weingläser für die Erwachsenen aufgetrieben.
Nach dem Essen gab es mehr Wein und Kaffee und Nachtisch – Schachkuchen aus der Sky River Bakery. Die Kinder durften sich zum Fernsehgucken zurückziehen, und die anderen besprachen erneut Jennys Situation. Jeder wollte ihr helfen, und niemand war ernsthafter bei der Sache als ihr Vater.
„Ich will mich nicht aufdrängen, aber ich weiß, dass das gerade eine sehr schwierige Zeit für dich ist“, sagte er.
Das nenne ich mal eine Untertreibung, dachte sie.
„Vielleicht möchtest du dich mehr dem Schreiben widmen“, schlug Philip vor. „Du bist eine exzellente Autorin.“
„Du hast meine Kolumne gelesen?“, fragte sie.
Er nickte. „Ich lasse mir ein Abo des Avalon Troubadour nach Manhattan schicken, damit ich jeden Mittwoch ‚Essen für die Seele‘ lesen kann.“ Er lächelte, als er ihren überraschten Gesichtsausdruck sah, und nahm sich dann noch ein Stück Kuchen. „Wie auch immer, in der Stadt könntest du dich mit Leuten aus dem Verlagswesen treffen und gucken, ob du eine Karriere als Autorin anstreben möchtest.“
Jenny war sich nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. „Es ist doch nur eine wöchentliche Kolumne, kein Vollzeitjob.“
„Im Moment noch“, sagte Philip. „Ich wollte auch immer Schriftsteller werden. Allerdings schien es für mich nicht angemessen, fürchte ich.“
„Aber für mich?“
„Du bist noch jung genug, um ein Risiko einzugehen“, fand er.
Verwirrt schaute sie ihren Vater und ihre Schwester an. „Danke. Es schmeichelt mir sehr, dass du meine Kolumne liest.“ Sie war entschlossen, die Panik, die gerade an ihren Brustkorb klopfte, mit einem Lächeln in Schach zu halten. „Ich habe mich oft gefragt, wie es wäre, mich nur mit dem Schreiben zu beschäftigen, meine Rezepte zu sammeln und vielleicht in einem Buch zusammenzufassen.“ Da. Sie hatte es laut ausgesprochen. Sie hatte diesen Menschen von ihrem Traum erzählt. Die Vorstellung, Schriftstellerin zu sein, war ihr immer so zerbrechlich und unwahrscheinlich erschienen; ein Geheimnis, das sie am besten für sich behielt. Aber vielleicht hatte Rourke recht. Wenn sie ihren Traum teilte, nahm er womöglich Form und Substanz an und wurde kräftiger.
Und sie würde Vollzeit daran arbeiten müssen, alles neu zu schreiben, was im Feuer verloren gegangen war. Auch wenn die Zeitung ihre Kolumnen archiviert hatte, alles andere – die Dinge, die sie nicht veröffentlicht hatte, weil sie noch nicht ausgefeilt genug oder zu persönlich gewesen waren – war vernichtet, und sie wusste nicht, ob sie es je wiederherstellen könnte.
„Dann solltest du das angehen“, sagte Olivia.
„Deine Artikel sind sehr unterhaltsam geschrieben“, fügte Philip hinzu. „Ich liebe diese kleinen Einblicke in den Alltag einer Bäckerei. Ich habe das Gefühl, deine Großeltern zu kennen, genau wie die Stammkunden und die Menschen, die über die Jahre dort gearbeitet haben. Und ich bin stolz auf dich. Ich habe noch nie eine Essenskolumne gelesen, aber in letzter Zeit gebe ich vor allen Leuten mit den Artikeln meiner Tochter an.“
Es fühlte sich schockierend gut an, diese Worte zu hören. Niemals in ihrem Leben hätte sie gedacht, so etwas zu erleben – den Stolz eines Vaters auf etwas, das sie getan hatte. Sicher, ihre Großeltern hatten ihre Leistungen immer gewürdigt, aber keiner von beiden hatte viel auf Englisch gelesen. Jetzt war dieser intellektuelle Mann – Philip Bellamy – so stolz auf sie, dass er seinen Freunden davon erzählen musste.
„Wie findest du die Idee, eine Zeit lang in der Stadt zu leben?“, fragte er ernst.
„Ich …“ Jenny trank einen Schluck Wein. Die Stadt? New York City? Machte er Witze? Okay, dachte sie. Bleib ganz cool. „Ich bin mir nicht sicher … Ich habe noch nie darüber nachgedacht.“
„Vielleicht solltest du das mal tun.“
„Aber die Bäckerei …“
„Du könntest dir eine Auszeit von der Bäckerei nehmen.“
Jenny hatte schon vor einiger Zeit erkannt, dass die Bellamys nicht wirklich verstanden, wie die echte Welt funktionierte. „Das ist nicht so einfach. Man nimmt sich nicht einfach eine Auszeit von der Bäckerei. Sie hat sieben Tage die Woche geöffnet.“
„Es wäre aber
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