Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
Diese verdammten Biester.
In der Truhe fand er eine Karte, die er einsteckte für den Fall, dass sie ihm nützlich werden könnte. Nach und nach durchsuchte er eine Truhe nach der anderen, bis er endlich zu einer kam, die mit Büchern gefüllt war. Auf den Fersen kauernd, nahm er jedes Buch heraus und überprüfte nicht nur die Titel, sondern sah sich auch die Texte an. Dabei stieß er auf zwei, die einigen seiner Freunde bei Solomon’s von Nutzen sein könnten, und steckte sie ebenfalls in seine Tasche. Dann sah er es – ein kleines, in Leder gebundenes, mit Edelsteinen besetztes Buch, in dem er die uralte persische Schrift fand, die er suchte. Der drei Weisen Buch der Weisheit , war der Titel.
Graeme warf einen letzten Blick auf all die glitzernden Schätze und löschte die Fackeln, bevor er den Rückweg über die Seilbrücke antrat. Es fiel ihm schwer, all diese kostbaren Antiquitäten zurückzulassen, aber er konnte sie unmöglich allein bergen. Er würde Solomon’s benachrichtigen, damit sie eine Gruppe schickten, um all diese historischen Artefakte in Sicherheit zu bringen, aber er hatte gefunden, wonach er gesucht hatte. Das Seil unter seinen Füßen vibrierte und schwankte, und irgendwo zu seiner Rechten hörte Graeme das Scharren von Metall.
Dann gab das Tau unter seinen Füßen nach, und er klammerte sich an das Halteseil, als er fiel. Ihm war, als würden ihm die Schultern ausgerissen bei dieser jähen Verlagerung seines Gewichts, aber er ließ nicht los. Vorsichtig eine Hand neben die andere legend, begann er, sich so schnell er konnte in die linke Richtung zu bewegen.
Die ganze Zeit über horchte er angestrengt und wartete auf das Geräusch von durchscheuerndem Tau, aber das Einzige, was er hörte, war sein eigenes schweres Atmen. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, seine Hände waren feucht vor Schweiß, und er betete, dass er nicht den Halt verlieren möge. Quälend langsam näherte er sich dem Licht der Fackeln links von ihm.
Schließlich erreichte er die andere Seite, wo er sich auf den Boden fallen ließ und dem Himmel dankte, dass er nicht in den Tod gestürzt war – und der Auffindung des Steins der Vorsehung einen Schritt näher gekommen war.
Kapitel eins
London, 1888
A uf leisen Sohlen schlich Vanessa Pembrooke die Treppe hinunter. In zwei Tagen würde sie heiraten, und die Gedanken an die Trauung trieben sie so sehr um, dass sie nicht einmal mehr nachts zur Ruhe kam. Ihre Mutter und deren Heer von Dienstmädchen würden Stunden brauchen, um Vanessa zu frisieren, zurechtzumachen und in ungewohntem Glanz erstrahlen zu lassen. Das Schlimmste aber war das Kleid, das sie tragen würde – von Kopf bis Fuß in Rüschen und Spitze gehüllt, würde sie aussehen wie ein Zierdeckchen mit Füßen. Unnötig zu erwähnen, dass diese verflixten Gedanken ihr den Schlaf raubten. Deshalb schlich sie auf Zehenspitzen zur Bibliothek hinunter, um sich etwas zur Ablenkung zu suchen.
Im Haus herrschte Stille, die Dienstboten waren alle schon zu Bett gegangen, und auch Vanessas Familie hatte sich längst zurückgezogen. Ihr Verlobter logierte bei ihnen, aber er war mit Magenbeschwerden schon früh zu Bett gegangen. Zu dieser späten Stunde würde sie die Bibliothek also ganz für sich haben. All diese Bücher warteten nur auf sie. Das neueste wissenschaftliche Journal hatte sie schon von vorn bis hinten durchgelesen. Vielleicht würde sie sich für etwas Historisches entscheiden.
Ein leises Geräusch erregte ihre Aufmerksamkeit und ließ sie vor der Tür der Bibliothek innehalten. Sie drehte sich um, sah aber niemanden. Vielleicht war es die bevorstehende Hochzeit, die sie so nervös machte. Mit einer leisen Drehung des Knaufs öffnete sie die Tür zur Bibliothek.
Sie war schon drauf und daran, das Zimmer zu betreten, als sie etwas – oder jemanden – auf dem Boden vor dem erlöschenden Kaminfeuer sah. Nackte, ineinander verschlungene Glieder, die vor Schweiß glitzerten. Der Mann stöhnte, und die Frau, die auf ihm saß, als ritte sie ein Pferd, flüsterte mit rauer Stimme: »Ja … ja … ja …«
Nicht einmal in ihren wildesten Fantasien wäre Vanessa auf die Idee gekommen, dass ein Paar auf diese Weise miteinander verkehren könnte, da sie nur über die traditionelle »Mann-auf-Frau-unter-der-Bettdecke«-Stellung aufgeklärt worden war. Vanessa fragte sich, was zwei Menschen dazu bringen könnte, so etwas in einem allen zugänglichen Raum zu treiben. Es war äußerst skandalös, und sollte ihre
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