Das Geheimnis von Digmore Park
letzten Jahre viel im Stall gestanden waren, war es immer noch eine Freude, sie zu lenken. Es tat gut, die Aufmerksamkeit ganz auf das Gespann richten zu müssen. Je näher sie Digmore Park kamen, desto größer wurde seine Anspannung. Gebe Gott, dass sie alle die nächsten Tage gut überstanden! Etwa eine halbe Stunde vor ihrem Ziel bog er von der Poststraße ab und fuhr eine Meile landeinwärts. Das war kein leichtes Unterfangen. Die Kutsche war so breit, dass sie die schmale Feldstraße zur Gänze ausfüllte. Wenn ihn seine Erinnerung nicht trog, dann lag am Ende dieses Wegs ein kleines Wirtshaus, er war einmal im Zuge einer Jagdgesellschaft daran vorbeigekommen. Bald erblickte er tatsächlich das kleine Steinhäuschen mit reetgedecktem Dach, das sich in eine Waldlichtung duckte. Hinter den winzigen Fensterscheiben flackerte Kerzenlicht. Dichter Rauch aus dem Kamin schien ihn willkommen zu heißen. Dewary atmete tief durch und brachte die Kutsche zum Stehen.
„So, nun übernimmst du die Zügel, John“, befahl er dem Burschen, der neben der Kutsche hergeritten war. „Ich gehe den letzten Rest des Weges zu Fuß.“
Er nahm sein Bündel und sprang vom Kutschbock.
„Ist in Ordnung, Mr. Michaels. Die Wirtsleute würden wohl Augen machen, wenn wir hier vierspännig vorfahren, nicht wahr? Denken Sie, die Wiese ist groß genug, das Gefährt zu wenden?“
„Du hast allen Platz der Welt, und, John …“, er legte dem Burschen die Hand auf die Schulter, „… du schaffst das schon! Bring die Damen wohlbehalten nach Digmore Park! Und nicht vergessen, du kennst mich nicht, du hast mich nie gesehen, du weißt nicht, dass es mich gibt!“
John grinste, stolz auf das Vertrauen, das man ihm entgegenbrachte. Seine Kumpane vom Stammtisch würden Ohren machen, wenn er ihnen von diesem Abenteuer erzählte! Natürlich würde er erst reden, wenn die Sache ausgestanden war. Das war Ehrensache!
Dewary öffnete den Wagenschlag und beugte sich in die Kutsche, um sich zu verabschieden.
„Ich verlasse Sie jetzt, meine Damen, und wünsche Ihnen viel Glück. Wir treffen uns hier zum vereinbarten Tag. Und, Mylady, bitte grüßen Sie meinen Vater von mir. Sagen Sie ihm, er soll sich keine Sorgen um mich machen, es geht mir gut!“
Dewary trat zurück, sah zu, wie John wendete und wie die Kutsche langsam über den Wiesenweg zurückratterte. Jetzt war er auf sich gestellt und konnte nichts anderes tun, als zu warten und auf die Fähigkeiten der beiden Damen Porter zu vertrauen. Entschlossen warf er seine wenigen Habseligkeiten über den Sattel, nahm Jupiters Zügel und machte sich auf den Weg zum Wirtshaus.
Gerade als die Reisekutsche wieder die Poststraße erreichte, tauchte die zweite Kutsche auf. Joseph saß mit breitem Grinsen auf dem Kutschbock des Landauers, dessen Inneres sich die beiden Kammerzofen mit Bergen von Gepäck teilten. Die Fahrzeuge fuhren im Konvoi die prachtvolle Pappelallee entlang und schließlich vor Digmore Park vor, um dort einen solch offiziellen und hochherrschaftlichen Eindruck zu machen, dass der Butler viel zu beeindruckt war, ihnen die Tür zu weisen.
Und so kam es, dass er kurze Zeit später im Speisezimmer meldete, hoher Besuch sei angekommen. Lady Bakerfield war hellauf begeistert. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und klatschte in die Hände: „Gäste! Wir haben endlich einmal Besuch, Bakerfield, ist das nicht eine Freude! Ich muss die Damen sofort willkommen heißen und zusehen, dass sie würdig empfangen werden. Kommst du mit mir in die Halle?“
Ihr Gatte starrte sie ungläubig an. „Aber natürlich nicht! Man sollte meinen, mein Onkel beschäftigt ausreichend Personal, um ungebetene Gäste gebührend zu begrüßen. Das ist doch nicht unsere Aufgabe. Abgesehen davon, dass es mir lieber wäre, die Damen würden wieder abreisen, angesichts der Umstände …“
Seine Gattin schmollte. „Ach, Edward, du bist unmöglich! Ich dachte, du möchtest, dass ich glücklich bin!“
Mylords Gesicht wurde weich. „Aber natürlich will ich das, mein Täubchen!“
Sie lief zu ihm hinüber, um ihn zu umarmen. „Wie gut du zu mir bist! Dann hast du sicher nichts dagegen, dass ich mich nun den Gästen widme.“
Und bevor Mylord noch etwas einwenden konnte, hatte Mylady das Zimmer auch schon verlassen. Er murmelte etwas Unverständliches und wies den Diener an, nicht dumm herumzustehen und ihm ein Stück vom Braten abzuschneiden.
Elizabeth war nicht wohl zumute. Was für ein peinlicher Auftritt! Warum
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