Das Geheimnis von Digmore Park
zu beweisen: Ich muss entweder den Stallknecht Paul oder den Kammerdiener Mr. Jennings dazu bringen, vor dem Friedensrichter auszusagen und damit meine Version der Geschichte zu bestätigen.“
Elizabeth musste erst einmal tief durchatmen. „Dann sorgen Sie bitte dafür, dass zumindest einer der Männer baldigst seine Aussage macht. Linworth hat uns sieben Tage Zeit gegeben. Er hat für sein Schweigen eine beträchtliche Summe gefordert, die unsere Möglichkeiten bei Weitem übersteigt.“
Dewary sah mit einem um Verzeihung heischenden Blick zu ihr hinüber. „Wenn Sie wüssten, wie leid es mir tut, dass Sie in diese schreckliche Geschichte mit hineingezogen werden, Miss Elizabeth!“ Wie sollte er das je wieder gutmachen können? „Sie haben mir ein Dach über dem Kopf gegeben, als ich es am nötigsten brauchte. Und, was noch wichtiger ist, Sie haben mir Ihr Vertrauen geschenkt.“
Elizabeth widersprach nicht, noch stimmte sie ihm zu. Sie war zu gespannt, was er als Nächstes sagen würde.
„Portland Manor ist mir in den letzten Wochen zur zweiten Heimat geworden. Auf keinen Fall kann ich es zulassen, dass Sie für Ihr Vertrauen nun so hart bestraft werden. Was auch immer Ihnen Linworth angedroht hat, ich kann es Ihnen nicht gestatten, dass Sie auf seine Forderungen eingehen!“
Elizabeth lachte trocken auf. „Ich fürchte, das steht nicht in Ihrer Macht. Wir haben unseren tadellosen Ruf zu verteidigen. Außerdem ist da etwas, was Sie noch nicht wissen …“
Eben hatte er ansetzen wollen, ihr zu sagen, dass auch der größte Betrag der Welt sie nicht davor bewahren würde, dass Linworth seine Drohungen wahrmachen könnte – dass man Erpressern nicht nachgeben durfte, da sie in ihrer Dreistigkeit immer nur mehr fordern würden, doch ihre Bemerkung ließ ihn innehalten. „Und das wäre?“
„Lord Linworth drohte nicht nur damit, den Friedensrichter zu unterrichten, nein, er ging noch weit darüber hinaus: Er drohte, dem Bischof von Winchester mitzuteilen, dass Mr. Bishop dabei geholfen hat, einen flüchtigen Mörder vor der gerechten Strafe zu bewahren.“
Dewary sah sie mit großen Augen an und war einige Augenblicke lang nicht in der Lage, auch nur ein Wort zu erwidern. „Eine derartige Skrupellosigkeit hätte ich nicht einmal ihm zugetraut“, sagte er schließlich und setzte mit feierlichem Tonfall fort: „Ich verspreche Ihnen, meine Damen, dass ich alles daransetzen werde, meine Unschuld noch in der kommenden Woche zu beweisen.“
„Damit würden alle Drohungen der feinen Lordschaft ins Leere laufen …“
„Richtig! Das Dumme ist nur …“
„Das Dumme ist nur …?“, wiederholte Elizabeth, die inständig hoffte, dass die Hürde nicht mehr allzu groß war, die noch zwischen Dewary und dem Beweis seiner Unschuld stand.
„Die Anschrift von Mr. Jennings liegt in einem Geheimversteck in meinem Zimmer auf Digmore Park. Ich habe Charlie, meinen Burschen, dort als Stallburschen eingeschleust. Sie haben ihn kennengelernt, Miss Porter, damals in …“
„Ja, ja, ja, ich erinnere mich“, fuhr Elizabeth rasch dazwischen, bevor der Major so unachtsam sein konnte, Mama von ihrem gefährlichen und ganz und gar unschicklichen Ausflug nach Southampton in Kenntnis zu setzen, „das ist der Bursche, in dessen Obhut sich Jupiter derzeit befindet.“
„Wer ist Jupiter?“, erkundigte sich Mylady. Doch keiner der beiden nahm von ihr Notiz.
„Charlie sollte mit Paul sprechen, der Mr. Jennings und meine Tante auf ihrer Flucht nach Yorkshire kutschiert hat. Seltsamerweise will man in Digmore Park nichts von einem Paul wissen. Und Charlie gelingt es auch nicht, unbemerkt die Adresse an sich zu bringen.“
„Sie haben doch nicht etwa vor, selbst einen Versuch zu unternehmen, in Ihr Zimmer zu gelangen?“, entfuhr es Elizabeth. „Wenn da wirklich so viele Wachen stehen, dann ist das viel zu gefährlich!“
Dewary schluckte. Irrte er sich, oder machte sie sich wirklich Sorgen um ihn?
„Es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben!“, setzte Elizabeth fort.
„Sie meinen, ich könnte jemand anderen finden, der unerkannt in mein Zimmer gelangen könnte?“
Noch während er diese Worte sagte, wusste er, dass das ein Ding der Unmöglichkeit war. Es war schon so gut wie unmöglich, in Digmore Park einzubrechen, wenn keine Wachposten vor dem Haus standen. Das Tor war stets gut verschlossen, die Dienerschaft wachsam und bestens geschult.
„Nichts leichter als das“, meldete sich Lady Portland
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