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Das Geheimnis von Sittaford

Das Geheimnis von Sittaford

Titel: Das Geheimnis von Sittaford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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der Dame hinweg – Violet, die sich unbeobachtet glaubte. Unverkennbar wurde sie von Furcht gequält.
    Mrs Willett plauderte inzwischen weiter.
    «Ach, leider machen sich auch Schattenseiten hier bemerkbar, Inspektor. Das Dienstbotenproblem. Es gefällt den Mädchen nicht auf dem Land, weil ihnen die Stadt mehr Zerstreuung an ihren freien Tagen bietet; meine haben bereits vor einiger Zeit sämtlich mit Kündigung gedroht, und die Nachricht von dem Mord hat ihnen die letzte Lust zum Bleiben genommen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Vielleicht würde ich mit männlichem Personal besser fahren – so behauptet wenigstens die Stellenvermittlung in Exeter.»
    Der Inspektor antwortete geistesabwesend. Er hatte nicht auf ihren Redefluss geachtet, sondern grübelte über den Gesichtsausdruck nach, der ihm bei Violet Willett aufgefallen war. Wenn Mutter und Tochter nichts mit Captain Trevelyans Tod zu schaffen hatten, was fürchtete das junge Mädchen dann? Und während er mit einem Fuß schon auf der Haustürschwelle stand, feuerte er den letzten Schuss ab.
    «Kennen Sie übrigens den jungen Pearson?»
    Diesmal wäre auch einem weniger gewieften Beobachter die Pause nicht entgangen. Eine Totenstille, die weit über eine Sekunde währte. Dann endlich kam eine Antwort:
    «Pearson?» sagte sie. «Ich glaube nicht…»
    Hier hielt sie inne. Denn aus dem Zimmer hinter ihr drang ein seltsam ächzender Laut und darauf ein dumpfer Fall. Wie ein Blitz sauste Narracott zurück in das Zimmer, das er soeben verlassen hatte, und sah Violet Willett ohnmächtig am Boden liegen.
    «Armes Kind!» rief die Mutter. «Das sind die Folgen der unausgesetzten Aufregungen; erst der unheimliche Ausgang des Tischrückens und dann noch der Mord! Violet ist nicht die Kräftigste. Vielen Dank, Inspektor. Ja, aufs Sofa, bitte. Und wenn Sie jetzt noch die Güte hätten zu klingeln. Danke. Nein, weiteren Beistand brauche ich nicht. Nochmals vielen Dank!»
    Ein grimmiges Lächeln spielte um die Lippen des Inspektors, als er die Auffahrt hinabging. James Pearson war, das wusste er, mit dem ungewöhnlich reizvollen jungen Mädchen in London verlobt. Aus welchem Grund verlor also Violet Willett bei Erwähnung seines Namens das Bewusstsein? Welche geheime Verbindung bestand zwischen dem jungen Mann und den Willetts?
    Unentschlossen blieb Narracott an dem großen schmiedeeisernen Tor stehen, um nach kurzem Grübeln sein Notizbuch hervorzuziehen, das eine Liste der Bewohner der sechs Cottages enthielt.
    «Ja», murmelte er, «es ist besser, wenn ich bei ihm beginne.»
    Rasch bog er auf den Feldweg ein und hämmerte mit dem Klopfer energisch an die Tür von Nr. 6, dem Häuschen, das Mr Duke gehörte.

15
     
    M it rotem Kopf und sichtlich verärgert über die Störung öffnete Major Burnaby persönlich dem jungen Journalisten die Tür.
    «Na, sind Sie glücklich da!», begrüßte er ihn ziemlich unfreundlich und würde bei dieser Tonart wohl geblieben sein, wenn er nicht Emily erblickt hätte.
    «Miss Trefusis», sagte Charles Enderby mit der Miene eines Menschen, der sein Trumpfass ausspielt. «Es liegt ihr sehr viel daran, Sie zu sprechen.»
    «Darf ich eintreten?», fragte die junge Dame mit ihrem süßesten Lächeln.
    «Aber selbstverständlich. Ja, ja… gewiss. Bin sehr erfreut…»
    Stammelnd ging der Major wieder in sein Wohnzimmer, wo er Stühle zurechtrückte und Tischchen zur Seite schob.
    Emily kam, wie es ihre Art war, ohne Umschweife auf den Kern der Sache zu sprechen.
    «Sie müssen nämlich wissen, Major Burnaby, dass ich mit James verlobt bin – James Pearson. Und natürlich lässt mir die Sorge um ihn keine Ruhe.»
    Der alte Soldat hörte diese Eröffnung mit offenem Mund und vergaß darüber, dem letzten Tischchen einen passenderen Platz zu geben.
    «Oh, das ist eine betrübliche Sache. Mein liebes junges Fräulein, Sie ahnen nicht, wie sehr mich das bekümmert!»
    «Major Burnaby, sagen Sie mir offen und ehrlich, ob Sie ihn für schuldig halten!», forderte sie. «Sie können es unumwunden gestehen, denn die schlimmste Wahrheit ist mir hundertmal lieber als eine gut gemeinte Lüge.»
    «Nein, ich halte ihn nicht für schuldig», erklärte der ehemalige Offizier in lautem, zuversichtlichem Ton. Er ergriff ein Kissen, schüttelte es heftig auf und nahm dann Emily gegenüber Platz. «Der Junge gefällt mir, nur scheint er ein bisschen weich zu sein. Seien Sie bitte nicht beleidigt, wenn ich das sage, dass er, wenn die Versuchung sehr stark an

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