Das Geheimnis von Turtle Bay
Lichter von Turtle Bay hinter ihnen zurückfielen, kamen am Abendhimmel die Sterne zum Vorschein, doch Amelia richtete den Blick lieber wie gebannt nach unten auf das schäumende Kielwasser.
Dieses Wasser hatte ihre Schwester verschluckt und ertränkt. Wäre Daria nicht bewusstlos gewesen, hätte sie sich dann vielleicht noch retten können? Und hätte sie Amelia die Schuld gegeben und sie noch mehr gehasst als bisher? Würde Bree ihr jemals vergeben können, wenn sie ihr davon erzählte, was sich an jenem letzten Tag tatsächlich zugetragen hatte? Wie es wohl war, ins Wasser einzutauchen und dann zu sterben?
Die Stimmen und das Gelächter der Gäste vermischten sich mit dem Murmeln der See. Ihr Glas glitt ihr aus den Fingern und verschwand in den dunklen Wellen unter ihr.
„Einen Toast auf Daria“ , flüsterte sie und warf die winzige Orchidee hinterher. Das Boot schien Kurs auf das Frachterwrack zu nehmen, wo Bree und Daria immer gemeinsam getaucht waren.
Warum hatte sie selbst nur immer solche Angst vor den Wellen und dem Wasser gehabt? Dabei war sie doch mutig genug gewesen, um mit einem Boot in den Golf hinauszufahren, um mit Daria zu reden, die ihr gesagt hatte, sie solle endlich erwachsen werden und sich nicht so anstellen. Dr. Nelson sagte im Wesentlichen das Gleiche, wenn auch um einiges komplizierter und ruhiger. Er brachte auch den Gedanken ins Spiel, dass andere Leute Amelias Wahrnehmungen nicht als die Realität ansahen.
Amelia beugte sich noch weiter vor und sah hinab auf die seidig schimmernde Wasseroberfläche. Wieder sagte sie sich, die Autopsie habe ergeben, dass Daria ertrunken war und dass der Schlag gegen den Kopf nicht ihren Tod verursacht hatte. Und der war nur ein Unfall gewesen, weil Daria ausgerutscht war, weiter nichts. Dennoch lastete die Schuld so schwer auf Amelia, dass sie ihr wie einer Ertrinkenden die Luft zum Atmen nahm …
Bree sah zur Wanduhr in ihrem Büro. In weniger als einer Stunde würde eine Bombe ein Loch in den Rumpf des Casino-Boots reißen, und alle an Bord würden auf hoher See ertrinken. Cole, Amelia und Ben, Verdugo, Josh und seine Widersacherin Marla. Und auch alle anderen. Ja, Nikki und Mark mussten ein Paar sein, sonst würde sie nicht Josh sterben lassen.
Sie musste irgendetwas unternehmen, und zwar schnell. Der Sekundenzeiger der Uhr rückte unerbittlich weiter. Wenn sie die zwei in ein Gespräch verwickeln konnte, reichte die Zeit vielleicht, dass Manny herkam und dem Plan der beiden einen Strich durch die Rechnung machte. Aber wie lange würde das wohl dauern? Schließlich musste sie die Küstenwache anrufen, damit Verdugos Boot gestoppt wurde.
„Ich verstehe nicht, wie Sie Josh einfach opfern können und sich damit den Weg nach Washington verbauen.“
„Ich hätte bis zur Spitze hinter ihm gestanden, wäre er nicht auf die Idee gekommen, mich zu betrügen“ , erklärte Nikki, während Mark ihr die Waffe gab, ins Lager ging und das Licht einschaltete. Offenbar kannte er sich hier bestens aus, aber vermutlich hatte er sich hier unten auch umgesehen, als er in ihrer Wohnung Darias Zimmer durchwühlt hatte.
„Aber es war das Beste, Daria aus dem Weg zu räumen“ , fuhr sie fort. „Und das gilt jetzt auch für Josh, als Strafe für das, was er mir angetan hat. Haben Sie noch nie von dem Mitgefühl der Wähler für die Witwe eines Kandidaten gehört? Der Kongressabgeordnete Sonny Bono stirbt bei einem tragischen Skiunfall, über den in allen Medien berichtet wird, und seine Witwe wird an seiner Stelle in den Kongress gewählt. Jahre zuvor geschah das Gleiche, als der Kongressabgeordnete Boggs bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Warum soll das nicht auch ein drittes Mal funktionieren?“
Bree stockte der Atem, als sie Nikki reden hörte. Diese Frau war eiskalt, was Brees Plan zunichte machte, an ihre Gefühle zu appellieren.
„Wenn Sie glauben, die nächste Sprengladung auch noch Sam unterschieben zu können, dann irren Sie sich aber gewaltig“ , machte Bree ihr klar. „Er ist in Sarasota und hat buchstäblich ein wasserdichtes Alibi.“
„Tut mir leid, aber da liegen Sie auch falsch“ , gab Nikki zurück. „Josh hat ihn gebeten, heute noch zurückzukommen, damit er sich morgen früh mit ihm über die Rettung des Golfs unterhalten kann. Briana, ich weiß, Sie und Sam verstehen sich nicht, aber Sie sollten wissen, dass er sich für Ihre Haltung zum Zustand des Grases ausgesprochen hat. Ich bin froh, dass Sie ihn als den Drahtzieher
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