Das Geheimnis von Turtle Bay
weiter an Manny.“ Sie hielt ihm den Hörer hin.
„Ist etwas mit Mama?“ , sprach er auf Spanisch ins Telefon, um dann, nach einer kurzen Pause, schnell und aufgebracht weiterzusprechen.
Bree wollte ihn nicht belauschen, doch ihr Spanisch war gut genug, um ihn zu verstehen, während er sich hektisch das Haar zerwühlte. Er beharrte darauf, dass Lucinda nie weglaufen würde. Hatte sie jemand entführt? Die Unterhaltung erinnerte sie erschreckend an ihre eigene Situation und ihre Angst wegen Daria. Juanita schrie inzwischen so laut ins Telefon, dass Bree jedes Wort verstehen konnte. Sie redete von einer Nachricht. Nein, eine Nachricht von Lucinda, nicht von irgendwelchen Entführern. Cole und Bree traten ein paar Schritte zurück.
„Caramba!“ , schimpfte Manny. „ Sí , ich habe ihr gesagt, wenn sie auf uns nicht mehr stolz ist, dann soll sie sich eine neue Familie suchen. Aber ich habe damit nicht gemeint, dass sie wirklich weglaufen soll.“
„Manny“ , warf Bree ein. „Geh lieber nach Hause. Sag deiner Frau, du bist auf dem Weg zu ihr.“
„Ich komme sofort nach Hause“ , gab er an Juanita weiter und kramte die Schlüssel seines Trucks aus der Hosentasche.
„Und ruf an, wenn du Hilfe brauchst“ , rief sie ihm nach, als er bereits zur Tür eilte.
„Möge Nuestro Senor und die heilige Jungfrau uns beistehen!“ Dann war er auch schon nach draußen gestürmt.
In der abrupt eingetretenen Stille standen Bree und Cole da und sahen sich an.
„Jedes Mal, wenn ich glaube“ , flüsterte sie, „dieser Albtraum könnte nicht noch schlimmer werden, steigert er sich um eine weitere Stufe.“ Ihr wurde bewusst, dass sie die Kamera noch immer an sich drückte. „Sehen wir uns die Fotos an“ , sagte sie, da sie nicht länger untätig bleiben wollte. „Vor allem die Aufnahmen, die Daria unmittelbar vor meinem Tauchgang gemacht hat.“
Cole folgte ihr zum Computer, sie öffnete das Plastikgehäuse der Kamera, nahm die Speicherkarte heraus und kopierte die Fotos auf ihren PC. Im nächsten Moment wurden drei Reihen Fotos gezeigt.
„Großartig“ , rief Cole erleichtert. „Er kann die Dateien lesen.“
Bis auf die ersten drei Fotos handelte es sich um Nahaufnahmen der Seegraswiese. Die ersten drei dagegen zeigten die Umgebung des Boots unmittelbar vor Brees Tauchgang.
„Die werde ich vergrößern“ , erklärte sie und zoomte die Bilder heran, während Cole hinter ihr stand und sich über ihre Schulter beugte. Obwohl – oder gerade weil? – dies nicht der richtige Moment dafür war, merkte sie, wie ihr sein Rasierwasser in die Nase stieg. Und sie hörte ihn tief und gleichmäßig atmen. Alles an ihm strahlte Kraft aus, und die hatte sie jetzt dringend nötig … so wie sie ihn selbst nötig hatte.
Das erste Foto zeigte den nordwestlichen Horizont, also die Richtung, aus der der Sturm gekommen war.
„Das Wasser ist noch sehr ruhig und die Unwetterfront weit entfernt“ , stellte Cole fest. „Die Wellen sind zwischen einem halben und einem Meter hoch, also die gleiche Situation wie bei mir, als ich lossegelte. O Mann, dieser Sturm war ausgesprochen schnell und brutal. Wenn jemand an Bord kam, nachdem du getaucht warst, konnte er noch nicht wissen, dass das Unwetter schlimm genug werden würde, um ein Verbrechen wie einen Unfall aussehen zu lassen. Vorausgesetzt, es war ein Verbrechen. Aber ich kann auf dem Foto kein anderes Boot erkennen.“
Sie vergrößerte das zweite Foto, so weit es möglich war. „Ein Boot in weiter Ferne“ , beobachtete sie und kniff die Augen zusammen. „Aber das sieht aus, als wäre es in südöstlicher Richtung unterwegs, vermutlich zum Gordon Pass oder Marco River. Was ist das da am Himmel? Ein Pelikan?“
Cole beugte sich so weit vor, dass er ihr Haar berührte. „Entweder das oder ein Flugzeug. Kannst du den Ausschnitt weiter vergrößern?“
Es war möglich, aber es half ihnen nicht weiter. Vielleicht war es ein Pelikan oder ein Flugzeug, vielleicht auch nur ein Fleck auf der Linse, auch wenn er auf den anderen Fotos nicht zu entdecken war.
„Sie hat nur die Kamera überprüft, ob alles in Ordnung ist, bevor ich damit tauche“ , brachte sie mit schwacher, zittriger Stimme heraus. „Wenn das ihre allerletzten Aufnahmen sein sollten, werde ich sie einrahmen.“
Sie kämpfte gegen die Tränen an und überflog die Motive, die von ihr unter Wasser aufgenommen worden waren. Es handelte sich um gute und scharfe Bilder einer unerfreulichen Situation. Noch bevor
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