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Das Geheimnis von Vennhues

Das Geheimnis von Vennhues

Titel: Das Geheimnis von Vennhues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holtkoetter Stefan
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wiedergekommen.«
    Marina Hobe dachte nach.
    »Welcher Natur war dieser Streit, von dem Sie sprachen?«
    Hambrock seufzte. »Ein Nachbar hat eines Tages beobachtet, wie Bodenstein van der Kraacht bedrängt hat.«
    Sie zog die Stirn in Falten, und Hambrock erklärte: »Sexuell bedrängt.«
    »Bodenstein ist homosexuell«, stellte sie fest.
    Es klang für ihn wie ein Todesurteil.
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte er. »Vielleicht ist er es, vielleicht ist er es auch nicht. Er war damals sehr jung. Wir alle waren jung. Da macht man doch so einige unvernünftige Dinge.«
    Sie schob den Einwand beiseite. »Wie ging es dann weiter?«
    »Dieser Nachbar, der ihn gesehen hat, ist sofort eingeschritten. Er hat Bodenstein mit der Mistgabel vertrieben. Er war sehr aufgebracht. Alle waren das damals. Heute ist so etwas ja ganz normal, und man sieht das ständig im Fernsehen. Zu dieser Zeit jedoch war ein solches Verhalten absolut undenkbar. Willem van der Kraacht hat daraufhin seine Freundschaft zu Bodenstein umgehend abgebrochen. Bis dahin waren sie unzertrennlich, doch das hat Willem ihm nicht verziehen. Es war vorbei mit der Freundschaft.«
    Hambrock erinnerte sich an damals. Alle hatten Abstand gehalten zu Peter, niemand wollte mehr etwas mit ihm zu tun haben. Doch es war auch für Willem fortan schwierig, im Dorf Anschluss zu finden. Er wurde den Makel ebenfalls nur schwer wieder los.
    »Für Willem van der Kraacht war es natürlich eine peinliche Situation«, sagte er. »Für Jungen in der Pubertät ist es besonders schlimm, Opfer sexueller Gewalt zu werden. Sie sind noch sehr unsicher in ihrer eigenen sexuellen Identität, und dann ist es ausgerechnet ein anderer Mann, der sie sexualisiert …«
    »Natürlich. Ich kenne die psychologischen Muster.«
    Marina Hobes Ton blieb freundlich, dennoch spürte er ihre Ungeduld. Sie mochte es nicht, wenn ein Bericht ins Unwesentliche abschweifte.
    »Willem hat versucht, sich zu wehren«, sagte Hambrock. »Er hat Stimmung gemacht gegen seinen ehemals besten Freund. Ganz schön viel Lärm hat er produziert, um jeden Verdacht von sich zu lenken.« Mit einem Lächeln fügte er hinzu: »Da funktionieren Jungen nicht anders als Mädchen. Sie fühlen sich schuldig für das, was andere ihnen angetan haben.«
    Marina Hobe räusperte sich. »Was passierte danach?«
    »Peter Bodenstein ist durchgedreht. Er konnte es nicht ertragen, dass er abgewiesen wurde in seiner Liebe oder in seiner Begierde oder wie immer man es nennen soll. Er hat sich also ein Messer geschnappt und ist auf Rachefeldzug gegangen. Ob er wirklich geplant hat, van der Kraacht in letzter Konsequenz zu ermorden, kann ich nicht sagen. Er hat damals jegliche Zusammenarbeit mit der Polizei verweigert.«
    »Haben die Ermittlungen keine weiteren Verdächtigen zutage gefördert?«
    »Keine Verdächtigen, keine Motive. Zudem wurde der Modus operandi dieser Tat mit anderen ungeklärten Morden in Deutschland und in den Niederlanden verglichen. Doch nichts. Keinerlei Übereinstimmungen. Es passte kein gesuchter Mörder in das Profil.«
    Marina Hobe rührte nachdenklich in ihrer Kaffeetasse.
    »Van der Kraacht«, sagte sie schließlich. »Ein ungewöhnlicher Name. Die Familie stammte aus den Niederlanden?«
    »Willems Vater, Kai van der Kraacht, ist in Lichtenvoorde aufgewachsen, wenige Kilometer jenseits der Grenze. Mia van der Kraacht war eine geborene Reckenfeld, ihre Familie stammte aus Vennhues. Auf dem Hof der Reckenfelds gab es keinen männlichen Nachkommen. Mia war das älteste von vier Mädchen, und daher hat sie den Hof übernommen. Ihrem Vater wäre es damals lieber gewesen, wenn sie einen Bauern aus Vennhues geheiratet hätte. Doch die Liebe sucht sich ihre eigenen Wege, und mit der Zeit hat sich der alte Mann damit abgefunden. Man erzählt sich, dass er auf dem Sterbebett schließlich betont hat, wie glücklich er sei, dass Kai seinen Hof weiterführe. Aber so sind sie, die Vennhueser: Anfangs mögen sie vielleicht ein wenig spröde wirken, doch wenn sie jemanden erst einmal ins Herz geschlossen haben, dann kann man sich auch auf sie verlassen.«
    Marina Hobe zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
    »Nicht alle im Dorf haben ihre Meinung geändert, oder irre ich mich? Bestimmt gab es einige, die weiterhin Vorbehalte gegen den Holländer hatten.«
    »Natürlich gab es die. Dass ein Holländer einen deutschen Hof übernahm, konnten einige nicht verschmerzen. Doch ganz egal, was diese Leute über Kai van der Kraacht gedacht

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