Das Geheimnis von Vennhues
wollte. Wir wären so ganz nah beieinander gewesen, und sobald wir es uns hätten leisten können, hätten wir eine Wohnung in Enschede gemietet. Wir wollten zusammenwohnen, weißt du.«
Eine Weile sagte er nichts, dann holte er Luft und wandte sich Hambrock mit einem Lächeln zu. Doch das Lächeln überdeckte nicht die Trauer, die in seinen Augen lag.
»Wir waren jung und naiv«, sagte er. »Wahrscheinlich wäre nie etwas daraus geworden. Es waren die Pläne zweier Kinder. So muss man es wohl sehen. Wir wussten damals nichts von der Welt. Das darf man nicht vergessen.«
Er schüttelte die Erinnerung ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Lächeln verlor den traurigen Zug, und er betrachtete Hambrock freundschaftlich.
»Doch was ist aus dir geworden, Bernhard!«, sagte er mit Bewunderung in der Stimme. »Du bist also Hauptkommissar. Wer hätte das gedacht?«
»Damals wohl niemand«, sagte Hambrock.
»Mir war immer schon klar, dass aus dir etwas werden würde. Du wusstest einfach, wann der Moment war, in dem man seinen Hintern hochkriegen muss.«
Er stimmte gern in das Lachen ein. Es fühlte sich mit einem Mal an, als träfen sich zwei alte Freunde. Sie saßen beisammen und plauderten über vergangene Zeiten. Als gäbe es weder einen Mord noch Handschellen oder die schleichende Kälte im Vennhueser Moor.
»Bestimmt hast du zu Hause einen ganzen Stall voller Kinder, so wie du es dir früher erträumt hast«, sagte Peter und schlug sich aufs Knie. »Ein Traum, über den Willem und ich nur den Kopf schütteln konnten. Wie kann man mit sechzehn schon davon träumen, ein Haus voller Kinder zu haben?«
Hambrock hätte am liebsten aufgestöhnt. Schon wieder fragte man ihn nach Kindern. Es war wie ein Fluch.
»Nein«, sagte er. »Ich habe keine Kinder.«
»Nicht? Aber lange wird es nicht mehr dauern, oder?«
Hambrock dachte an die vielen demütigenden Tests, denen er sich unterzogen hatte. Die Untersuchungen, denen weitere Untersuchungen folgten, und am Ende stand doch immer dasselbe Ergebnis. Hambrock war zeugungsunfähig, er würde niemals Kinder in die Welt setzen können. Und Erlend weigerte sich, das Kind eines Samenspenders auszutragen.
»Du hast doch eine Frau, nicht wahr?«, sagte Peter. »Wie lange wollt ihr noch warten?«
Für eine Sekunde war Hambrock versucht, ihm die Wahrheit zu sagen. Doch er erinnerte sich seiner Handfesseln und verwarf den Gedanken wieder. Es war unmöglich.
»Drei Kinder mindestens wollen wir haben«, sagte er. »Zwei Mädchen und einen Jungen. Du siehst, ich habe mich nicht geändert.«
Peter lächelte. »Nein, das hast du nicht.« Er stieß ihm freundlich in die Rippen. »Drei Kinder, das hört sich gut an. Ich wünsche euch Glück.«
»Das wünsche ich uns auch.«
Der sentimentale Moment war vorüber. Hambrock war in Gedanken wieder bei seiner Mordermittlung. Trotz der alten Geschichten war Peter immer noch der Hauptverdächtige. Hambrock musste die letzten Zweifel ausräumen.
»Ich muss dich noch etwas fragen«, sagte er.
Peters Lächeln erstarb. Er erinnerte sich ebenfalls, welchem Zweck dieses Treffen diente.
»Was möchtest du wissen?«, fragte er.
»Seit wann hast du diese Anfälle?«, fragte er.
Peter starrte ihn an. Sein Mund formte Worte, doch er blieb stumm.
Hambrock hatte die Antwort auf seine Frage.
»In der Nacht, in der Willem ermordet wurde, hattest du ebenfalls einen dieser Anfälle«, stellte er fest.
Peter schloss für einen Moment die Augen.
»Die Ärzte haben mir versichert, dass ich nur unter Halluzinationen und Wahnvorstellungen leide.« Er wiederholte es wie ein Mantra. »Es ist unmöglich, dass ich etwas tue, an das ich mich später nicht erinnere. Ich würde es wissen, wenn ich diese Morde begangen hätte.«
Er sah Hambrock an, und für einen Moment schien alles Leben aus seinen Augen gewichen. Es gab nun nichts mehr zu sagen. Das Gespräch war vorbei.
»Ich werde objektiv bleiben«, sagte Hambrock. »Das verspreche ich dir.«
Peter nickte. Er legte einen kleinen silbernen Schlüssel auf eine Kiefernplanke, dann ging er zum Ausgang.
»Sobald ich in Sicherheit bin, rufe ich deinen Vater her«, sagte er. »Er wird dir die Handschellen aufschließen. Es dauert nicht lange.«
Es schien, als wolle er noch etwas sagen, doch dann nickte er knapp und verließ eilig die Vogelwarte.
26
Hambrocks Handy lag auf dem Rasen hinter der Kirche. Er hob es auf und wischte es sorgfältig ab. Es war feucht geworden im nassen Gras, dennoch
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