Das Geheimnis von Vennhues
und freute sich auf einen geselligen Abend. Eher zufällig sah er zum Haus der Eheleute Heesing hinüber, die im Schwarzwald Urlaub machten.
Der wippende Lichtkegel der Taschenlampe war weithin zu sehen. Kemper bremste sofort ab. Verwundert beobachtete er das Licht in dem verwaisten Bauernhaus. Etwas stimmte nicht, das war sofort klar. Er stellte sein Rad am Wegesrand ab und ging vorsichtig auf den Hof zu.
Er musste doch nachsehen, weshalb ein Licht brannte, wo keines hätte brennen dürfen.
27
Keine Wolke war am Himmel zu sehen, und der helle Mond warf ein silbriges Licht auf die Wiesen und Felder rund um Vennhues. Die Temperaturen waren weiter gefallen, und die meisten Leute im Dorf verkrochen sich in ihre Stuben, drehten die Heizkörper auf und schalteten den Fernseher ein.
Peter Bodenstein blickte hinauf in den klaren Himmel. Er wünschte sich, Wolken würden den Mond bedecken und alles in tiefe Dunkelheit hüllen. In dem schwachen Licht musste er sich sehr vorsichtig bewegen. Er hielt sich abseits der Hauptwege und näherte sich dem Neubaugebiet von seiner Rückseite, jenseits der mannshohen Wallhecke.
Er fühlte sich nicht wohl. Die Erlebnisse der letzten Stunden saßen ihm noch immer in den Knochen. Ihm fiel es zunehmend schwer, zwischen Wirklichkeit und Episode zu unterscheiden. Er musste sich zusammenreißen, wenigstens so lange, bis er Vennhues verlassen und ein sicheres Versteck gefunden hatte.
Das Grundstück von Manfred Heesing lag jenseits der Hecke. Er kletterte mühelos über den Zaun und näherte sich dem erleuchteten Wohnzimmerfenster. Der Freund saß gemeinsam mit seiner Frau auf der Couch, vor ihnen standen Bier und Salzstangen, und in der Zimmerecke flackerte der Fernseher. Die Kinder mussten bereits im Bett sein, denn nirgends sonst im Haus brannte Licht.
Peter überlegte, wie er auf sich aufmerksam machen konnte, ohne dass Manfreds Frau etwas bemerken würde. Panik erfasste ihn. Er fragte sich, wie lange es dauern würde, bis ihn die nächste Episode übermannte. Er musste sich eingestehen, dass er es wohl nicht einmal bemerken würde, wenn es so weit war. Vielleicht steckte er ja schon wieder mittendrin, ohne es zu ahnen.
Jetzt beruhige dich. Es ist alles in Ordnung. Du hörst weder Stimmen, noch zweifelst du an der Wirklichkeit.
Trotzdem. Er musste schnellstmöglich mit jemandem reden, dem er vertrauen konnte.
Er brauchte nicht lange zu warten. Das Glück war auf seiner Seite. Manfreds Frau schob plötzlich ihre Wolldecke zur Seite und stand auf. Sie reckte sich und sagte etwas zu ihrem Mann, dann verließ sie den Raum.
Peter musste sich beeilen. Vielleicht ging sie nur zur Toilette, oder sie holte etwas aus der Küche. Er trat vor und klopfte sacht gegen die Scheibe.
Manfred sah auf, er erkannte Peter sofort. Seine Augen weiteten sich. Er blickte zur Tür, hinter der seine Frau verschwunden war, dann sprang er auf und zog das Fenster einen Spalt weit auf.
»Bist du verrückt?«, zischte er wütend. »Was machst du hier?«
»Ich muss mit dir reden«, sagte Peter. »Es ist dringend.«
Offenbar hörte Manfred die Angst in Peters Stimme, denn seine Wut war augenblicklich verraucht. Er warf einen weiteren unsicheren Blick zur Wohnzimmertür und wandte sich ihm wieder zu.
»Also gut«, sagte er. »Gib mir fünf Minuten, dann komme ich zu dir heraus. Warte hinter dem Carport.«
Dann schloss er das Fenster und ging zurück zur Couch, um sich wieder zu setzen. Peter trat ebenfalls zurück in die Dunkelheit und wartete hinter der halbfertigen Garage. Es vergingen tatsächlich nur fünf Minuten, dann erschien Manfred im Seiteneingang und trat in einer dicken Daunenjacke auf die Auffahrt. Er warf einen Blick über die ausgestorbene Straße, dann bog er unauffällig auf die Rückseite seines Grundstücks. Er blickte Peter besorgt an.
»Ich habe ihr gesagt, dass ich spazieren gehe. Eine knappe halbe Stunde habe ich Zeit für dich.«
Peter lächelte erleichtert. »Danke.«
An der Rückwand des Carports stand eine Bank, die weder von der Straße noch vom Haus einsehbar war. Sie setzten sich, und Manfred holte eine Zigarettenschachtel aus seiner Jacke.
»Möchtest du auch eine?«, fragte er.
»Ich rauche seit fünfzehn Jahren nicht mehr.«
»Seit fünfzehn Jahren?« Manfred lachte kurz auf und schüttelte den Kopf. Dann zündete er sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die kalte Nachtluft. »Also. Was gibt es so Wichtiges?«
Peter spürte die Scham, die seine letzte Episode
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