Das Geheimnis von Vennhues
hinterlassen hatte. Wieder einmal hatte er erst im Nachhinein durchschaut, was geschehen war. Er hatte sich blenden und hinters Licht führen lassen, wie jedes Mal.
»Ich muss von hier weg«, sagte er. »Heute noch.«
Manfred sah ihn überrascht an. »Aber wieso? Wo willst du denn hin?«
»Ich weiß es nicht. Ich muss einen Arzt finden, der mich behandelt, ohne dass die Polizei davon erfährt. Meine Ärzte lässt Hambrock bestimmt überwachen. Ich muss vorsichtig sein.«
»Deine Ärzte? Bist du krank?«
Peter sah ihn nicht an. »Ja, ich bin krank.«
»Aber was …?«
»Reden wir nicht davon.«
Über ihm leuchtete der klare Sternenhimmel. Er wusste nicht, ob er überhaupt noch die Kraft für eine Flucht hatte. Doch es blieb ihm nichts anderes übrig. Irgendwie würde es schon gehen.
»Ich bin jedoch nicht nur gekommen, um mich zu verabschieden«, sagte er. »Du hast viel für mich getan, und ich bin dir zu großem Dank verpflichtet. Das werde ich dir nicht vergessen. Aber ich habe eine allerletzte kleine Bitte. Ich möchte, dass du für mich zu Bernhard Hambrock gehst. Ich weiß nicht, wie ich Kontakt zu ihm aufnehmen soll, ohne mich selbst zu gefährden.«
»Bernhard Hambrock?« Manfred sah ihn verständnislos an. »Was hast du dem denn schon zu sagen? Der hat sich nicht unbedingt für dich eingesetzt.«
»Ich möchte ihm einen Verdacht mitteilen«, sagte Peter.
Die Idee war ihm eben erst gekommen. Es hatte einen blinden Fleck gegeben, dessen Existenz er nicht bemerkt hatte. Und nun war es ausgerechnet eine seiner verhassten Halluzinationen gewesen, die ihm einen Hinweis darauf gegeben hatte. Niemals wäre er von allein auf Gabriele Brook gekommen. Doch nun glaubte er, dass nur sie als Täterin in Frage kam.
»Irgendjemand muss diese Morde ja begangen haben«, erklärte er. »Ich frage mich das schon seit Jahren: Was ist damals im Moor passiert? Wer hat Willem das angetan?«
Wer, wenn ich selbst es nicht war, fügte er in Gedanken hinzu.
Manfred sah ihn unwillig an.
»Vergiss das doch jetzt, Peter!«, sagte er. »Kümmere dich besser um deine Flucht. Ich kenne einen Arzt in Winterswijk, der ist mir noch etwas schuldig. Vielleicht können wir …«
»Nein, das hat keinen Sinn!« Peter schüttelte heftig den Kopf. »Du musst mir jetzt zuhören, darauf kommt es an.«
Er wollte Manfred keinesfalls erklären müssen, weshalb ihm ein einfacher Mediziner nicht weiterhelfen konnte. Er brauchte einen anderen Arzt, als sein Freund glaubte.
Manfred gab sich geschlagen. Er zog nervös an seiner Zigarette und blies den Rauch in die Luft. Peter fuhr fort.
»Diese Morde hat jemand begangen, der in Vennhues lebt. Jemand, der sich lange Zeit im toten Winkel aufgehalten hat. Verstehst du? Es war einer, der niemals in Verdacht geraten wäre. Nur so konnte er unentdeckt bleiben, obwohl ihn alle kannten.«
»Aber das ist unmöglich!«, sagte Manfred laut. »Niemand …«
Peter legte aufgeregt den Finger an die Lippen.
»Die Nachbarn!«, flüsterte er.
Manfred verstummte. Er blickte sich hektisch um und zog wieder nervös an seiner Zigarette.
»Es war jemand von außerhalb«, widersprach er ihm dann leise. »Kein Vennhueser würde eine solche Tat begehen.«
Peter sah Manfred irritiert an. Warum wollte sein Freund es immer noch nicht begreifen? Es lag doch alles auf der Hand. Man musste sich nur die Fakten ansehen.
»Es war kein Fremder«, sagte er. »Das weißt du genauso gut wie ich. Lange Zeit habe ich gedacht, der Einzige, der für diese Tat in Frage kommt, bin ich. Stell dir vor, ich habe ernsthaft geglaubt, dass ich diesen Mord begangen habe.«
Manfred sah ihn mit großen Augen an.
»Aber, Peter«, sagte er fassungslos. »Du musst doch wissen, dass …«
Peter tat es mit einer Handbewegung ab.
»Ich habe mich nicht immer unter Kontrolle.« Dabei wollte er es belassen. »Es ist eine lange Geschichte.«
»Trotzdem kannst du so etwas nicht sagen!« Manfred lief erneut Gefahr, zu laut zu werden. »Du bist doch kein Mörder! Wie kannst du das auch nur für eine Sekunde glauben. Du bist der wundervollste Mensch, den ich je kennen gelernt habe. Niemals könntest du so etwas tun.« Er suchte verzweifelt nach Worten. »Du hast mir die Jahre über so gefehlt. Weißt du eigentlich, wie sehr ich mich gefreut habe, dass du zurückgekehrt bist? Vennhues war nicht mehr Vennhues ohne dich!«
Wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, warf er die halb gerauchte Zigarette auf das Pflaster. Er fasste ihn an den
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