Das Geheimnisvolle Haus : Kriminalroman
überlegen, wobei ich am besten fahre.«
Poltavo ging in das innere Büro zurück. Als er die Tür öffnete, blieb er erstaunt stehen, denn in dem Stuhl, den er eben verlassen hatte, saß der verschleierte Mann.
Er lachte über die Verwunderung, die er in Poltavos Zügen las, aber er schien sich auch noch über einen anderen Gedanken zu amüsieren.
»Das haben Sie gut gemacht, Poltavo. Sie haben sich glänzend aus der Affäre gezogen.«
»Haben Sie denn die Unterredung belauscht?« fragte der Pole, der wirklich sehr überrascht war.
»Jedes Wort. Nun, was halten Sie davon?«
Poltavo zog einen Stuhl heran und setzte sich seinem Chef gegenüber.
»Ich halte die ganze Sache für sehr klug und schlau angelegt«, sagte er bewundernd. »Aber auf der anderen Seite glaube ich, daß ich zuwenig Gehalt bekomme.«
Mr. Brown nickte.
»Ich denke, Sie haben recht«, stimmte er zu. »Ich will sehen, daß Ihr Einkommen erhöht wird. Wie töricht war es doch von der Frau, hierherzukommen!«
»Entweder war sie eine dumme Person oder eine schlechte Schauspielerin!«
»Wie meinen Sie das?« fragte Mr. Brown schnell.
Poltavo zuckte die Schultern.
»Ich zweifle nicht daran, daß alles, was ich eben erlebt habe, eine abgekartete Komödie war. Die Sache hat auch ihren Zweck erfüllt, denn es ist alles erreicht worden, was beabsichtigt wurde.«
»Und was wurde beabsichtigt?« fragte Mr. Brown neugierig.
»Sie wollten mir den wahren Charakter Ihres Geschäfts enthüllen. Ich schließe das aus folgenden Anhaltspunkten.« Er zählte sie der Reihe nach an seinen langen weißen Fingern ab. »Nach der Adresse auf dem Briefumschlag hieß die Dame Lady Cruxbury, aber ihr wirklicher Name begann mit einem W, wie ich deutlich auf dem Silberbeschlag ihrer Handtasche lesen konnte. Denselben Buchstaben habe ich auch auf ihrem Taschentuch gesehen, das sie aus der kleinen Handtasche herauszog. Deshalb konnte sie nicht die Frau sein, an die der Brief gerichtet war, oder wenn sie es war, so war der Brief nur ein Bluff. In einer so wichtigen Angelegenheit wäre Lady Cruxbury in eigener Person gekommen. Ich glaube, daß es überhaupt keine Lady Cruxbury gibt und daß das Schreiben nur erfunden und mir überreicht wurde, um meine Verschwiegenheit zu prüfen. Sie beobachteten mich währenddessen von einem Versteck aus. Außerdem verfolgten Sie noch den Zweck, wie ich Ihnen ja schon sagte, mir die anderen Geschäfte Ihrer kleinen Zeitung klarzumachen.«
Mr. Brown lachte leise vor sich hin.
»Sie sind ein kluger Kopf, Poltavo«, sagte er dann bewundernd, »und sicher verdienen Sie eine Gehaltsaufbesserung. Ich gebe gern zu, daß die ganze Sache nur eine Komödie war. Sie kennen jetzt mein Geschäft. Sind Sie unter diesen Umständen bereit, Ihre Stellung beizubehalten?«
»Unter einer Bedingung.«
»Sagen Sie, was Sie wollen.«
»Ich bin ein armer Abenteurer«, begann Poltavo. »Mein Leben -«
»Hören Sie mit diesem Zeug auf«, unterbrach ihn Mr. Brown schroff. »Es fällt mir gar nicht ein, Ihnen ein Vermögen zu schenken. Ich habe die Absicht, Ihnen alles zu geben, was zum Lebensunterhalt notwendig ist, und außerdem noch so viel, daß Sie sich etwas Komfort und Luxus gestatten können.«
Poltavo ging zum Fenster und starrte hinaus. Plötzlich wandte er sich wieder um.
»Zu meinem Lebensunterhalt gehört aber auch eine Wohnung in der St. James’s Street, ein Auto, eine Loge in der Oper -«
»Von alledem werden Sie nichts bekommen. Nehmen Sie doch Vernunft an!«
Poltavo lächelte.
»Ich bin Ihnen ein Vermögen wert, weil ich Phantasie besitze. Zum Beispiel hier.« Er nahm einen Brief aus dem großen Stoß, der auf dem Pult lag, und öffnete ihn. Die Handschrift war südländisch großzügig, zeigte aber ein schlechtes Schriftbild. »Hier ist ein Brief von einem Italiener«, fuhr er fort, »der für die meisten Leute nur unangenehme Geschäftsdetails enthalten würde, aber für einen Mann meiner Art birgt er reiche Möglichkeiten in sich.« Er lehnte sich über den Tisch, und seine Augen glänzten vor Begeisterung. »Es ist möglich”, daß man aus diesem Brief ein großes Vermögen schlagen kann. Das ist ein Mann, der mit den großen englischen Zeitungen in Verbindung kommen möchte, um die Identität und Lebensweise eines gewissen Mr. Fallock zu ergründen.«
Mr. Brown stutzte. »Fallock?« wiederholte er.
Poltavo nickte.
»Unser Freund Fallock hat ein ›großes, wunderbares Haus‹ gebaut, um den Brief unseres Korrespondenten zu
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