Das Geheimnisvolle Haus : Kriminalroman
zitieren, und in diesem Haus ist ein Millionenvermögen verborgen. Regt das Ihre Phantasie nicht an, mein lieber Kollege?«
»Er hat ein großes Haus gebaut?«
»Diese Leute berichten mir - habe ich eigentlich schon gesagt, daß dieser Brief von zwei verschiedenen Männern geschrieben wurde? -, daß sie einen Anhaltspunkt gefunden haben und daß sie sogar die Adresse Mr. Fallocks kennen. Sie sind sicher, daß er Verbrechen begeht. Aber sie brauchen eine Bestätigung ihrer Entdeckung.«
Mr. Brown schwieg und trommelte nervös mit seinen Fingern auf der Schreibtischplatte. Er hatte den Kopf auf die Brust gesenkt, als ob er über ein schwieriges Problem nachdächte.
»Das ist alles Kindergewäsch«, sagte er plötzlich rauh, »all dieses Gerede von verborgenen Schätzen. Ich habe früher auch schon von der Sache gehört. Es sind eben zwei Südländer mit einer lebhaften Phantasie. Wahrscheinlich haben sie angefragt, ob Sie ihnen das Fahrgeld schicken würden?«
»Genau das haben sie gefordert.«
Mr. Brown lachte unangenehm hinter seinen Schleiern und erhob sich.
»Das ist der spanische Gefängnistrick. Sie lassen sich doch durch derartige Skandalgeschichten nicht täuschen?«
Poltavo zuckte die Schultern.
»Ich spreche als ein Mensch, der selbst in einem spanischen Gefängnis geschmachtet hat«, erwiderte er lächelnd. »Auch ich habe früher an wohlhabende Leute in England Briefe geschickt und sie gebeten, mich aus meiner bedrückten Lage zu befreien. Diese Befreiung konnte aber nur durch Zahlung großer Summen bewerkstelligt werden. Ich verstehe durchaus alle Einzelheiten dieses Manövers, aber wir spanischen Räuber, mein lieber Kollege, schreiben nicht in der Landessprache, wir schreiben in gutem oder schlechtem Englisch. Wir schreiben nicht in schlechtem Italienisch, weil wir doch wissen, daß die Empfänger unserer Briefe sich nicht die Mühe geben, diese übersetzen zu lassen. Nein, Mr. Brown, das ist kein spanischer Gefängnistrick. Dieser Brief ist echt, und alles, was darin steht, ist wahr.«
»Kann ich ihn einmal sehen?«
Poltavo reichte ihm das Blatt über den Tisch hinüber. Mr. Brown wandte einen Augenblick seinem Angestellten den Rücken zu, lüftete den Schleier und las den Brief. Dann faltete er ihn wieder zusammen und steckte ihn in die Tasche.
»Ich werde noch auf die Sache zurückkommen«, sagte er dann mit rauher Stimme. »Ich will es mir aber vorher noch überlegen.«
»Ich möchte Sie außer der Gehaltserhöhung noch um eine andere Gunst bitten.«
»Was soll das denn sein?«
Der Pole streckte die Hände mit einer Geste aus, die eine gewisse Selbstverachtung ausdrücken sollte.
»Ich gebe zu, daß es eine Schwäche von mir ist, aber ich möchte zu gern wieder in guten Kreisen verkehren -Sie verstehen, bei feingekleideten Herren und schönen Damen. Ich sehne mich nach einem Leben in der großen Gesellschaft. Ich weiß wohl, es ist töricht, aber ich möchte mit reichen Leuten, die an der Börse spekulieren, mit Finanzleuten, Politikern und Industriemagnaten auf gleichem Fuß verkehren. Auch ich möchte ein großzügiges Leben führen - ich liebe es, schöne Musik zu hören und gute Weine zu trinken.«
»Und was soll ich dabei tun?« fragte Brown argwöhnisch und unangenehm berührt.
»Verschaffen Sie mir Eingang in die große Gesellschaft«, erwiderte Poltavo liebenswürdig. »Besonders gern möchte ich diesen großen Handelsherrn kennenlernen, von dessen Geschäften ich schon so viel in den Zeitungen gelesen habe. Wie ist doch gleich sein Name? Richtig: Farrington.«
Mr. Brown saß eine Minute lang ruhig da. Dann erhob er sich, öffnete den Schrank und faßte mit der Hand hinein. Poltavo hörte ein Klicken, der Schrank mit seinem ganzen Inhalt schwang nach rückwärts, und er konnte einen Raum sehen, der zu einer anderen Reihe von Büros gehörte, die Mr. Brown auch gemietet hatte. Schweigend stand der verschleierte Mann in der Öffnung, den Kopf auf die Brust gesenkt, die Hände auf dem Rücken.
»Sie sind wirklich sehr klug, Poltavo«, sagte er dann und ging in das andere Zimmer. Der Schrank schob sich wieder vor und verdeckte den Zugang.
Poltavo blieb ein wenig überrascht zurück.
2
»Meuchelmörder!«
Dieser Schrei schrillte durch die stille Nacht und weckte auch das Interesse und die Neugier eines Bewohners des Brakely Square, der noch wach war. Es war Mr. Gregory Farrington, der gewöhnlich an Schlaflosigkeit litt. Er hörte den Ruf, legte das Buch, in dem er gelesen
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