Das Geheimnisvolle Haus : Kriminalroman
stand sie vor der Wirklichkeit, ihre Träume waren vernichtet. Sie, die Erbin eines großen Vermögens, eines der schönsten Mädchen Londons, fuhr nun in einem Mietauto zu einer stillen Trauung.
Frank wartete vor dem Eingang des düsteren Amtsgebäudes auf sie. Auch Mr. Debenham und einer seiner Angestellten, den er als Trauzeugen mitgebracht hatte, waren schon zugegen. Doris war Mrs. Doughton geworden, bevor sie sich ganz darüber klar wurde, was eigentlich geschah.
»Nun bleibt nur noch eines zu tun«, sagte der Rechtsanwalt, als sie wieder draußen in dem hellen Sonnenlicht der Straße standen. Er schaute auf seine Uhr.
»Wir wollen jetzt gleich zur London-Safe-Deposit-Bank fahren, und wenn Sie mir die Vollmacht geben, so werde ich für Sie in aller Form von dem Vermögen Besitz ergreifen und es meinen Bankiers übergeben. Ich glaube, diese Angelegenheit muß ordnungsgemäß erledigt werden.«
Doris war damit einverstanden.
Frank war während der Fahrt schweigsam, er machte nur ein paar nebensächliche Bemerkungen über den Verkehr auf den Straßen. Doris fühlte dankbar seine Zurückhaltung. Ihr Gemüt war in wirrem Aufruhr. Sie war jetzt verheiratet - diese eine Tatsache nahm alle ihre Gedanken in Anspruch -, verheiratet mit einem Mann, den sie zwar ganz gern hatte, den sie aber nicht liebte. Sie war mit einem Mann verheiratet, den ein anderer für sie ausgesucht hatte, zum Teil gegen ihren Willen. Sie sah ihn heimlich an. Auch er war in einer gedrückten, freudlosen Stimmung. Das war ein aussichtsreicher Anfang ihrer Ehe! Wie würde alles enden?
Der Wagen hielt vor einer düsteren Granitfassade, und sie stiegen aus. Mr. Debenham bezahlte den Chauffeur, dann stiegen sie zusammen die steinernen Treppen zu den Gewölben der Bank hinunter.
Es gab noch einen kurzen Aufenthalt, als Mr. Debenham erklärte, in wessen Vollmacht er gekommen sei. Während die Beamten in ihren Büchern nachschlugen, erschien auch Poltavo auf der Bildfläche.
Er beugte sich über Doris’ Hand und behielt sie etwas länger in der seinen, als es Frank lieb sein konnte. Er flüsterte einige nichtssagende Glückwünsche und begrüßte Mr. Debenham durch ein Kopfnicken.
»Graf Poltavo ist hier auf Wunsch Ihres verstorbenen Onkels anwesend«, sagte der Rechtsanwalt. »Ich erhielt einige Tage vor seinem Verschwinden einen Brief, in dem er mir dies mitteilte.« Frank nickte unzufrieden, aber er war doch großzügig genug, sich in die Lage dieses Mannes zu versetzen, und gab sich Mühe, freundlich gegen ihn zu sein.
Ein uniformierter Beamter führte sie durch viele lange Korridore zu einem besonderen Gewölbe, das durch eine schwere eiserne Gittertür abgeschlossen war. Der Beamte öffnete, und sie traten in die kleine Steinkammer, die von Deckenlampen erleuchtet war.
Das einzige Möbelstück in diesem Raum war ein kleiner Geldschrank, der in der einen Ecke stand. Der Rechtsanwalt drehte den Schlüssel in dem Schloß fachgerecht um, und die Stahltür tat sich auf. Mr. Debenham versperrte die Öffnung, so daß sie nicht in das Innere des Schrankes sehen konnten. Dann wandte er sich plötzlich aufs höchste erstaunt um.
»Der Schrank ist leer«, sagte er.
»Leer?« rief Doris atemlos.
»Nur dies lag darin.« Er reichte ihr einen kleinen Briefumschlag, den sie mechanisch öffnete. Sie las den Inhalt:
Unglücklicherweise war ich gezwungen, Dein Vermögen für die Durchführung meiner Pläne zu verwenden. Du wirst mich deswegen anklagen, aber verzeihe mir, denn ich habe Dir einen größeren Schatz gegeben als den, den Du verloren hast - einen Gatten - »Was soll das bedeuten?« fragte sie leise.
Frank nahm den Brief aus ihrer Hand und las ihn zu Ende.
- einen Gatten in der Person Frank Doughtons, und Frank Doughton ist der Erbe der Tollington Millionen, wie es sein Vater vor ihm war. Alle nötigen Schriftstücke, die seine Identität mit dem Erben beweisen, sind in einem versiegelten Kuvert enthalten, das mein Rechtsanwalt verwahrt. Es trägt ein großes C auf der Vorderseite.
Die Unterschrift des Briefes lautete: Gregory Farrington.
Mr. Debenham fand seine Fassung zuerst wieder. Sein praktischer Verstand wandte sich sofort der augenblicklichen Lage zu.
»Ich kann bestätigen, daß ich ein solches Kuvert in Verwahrung habe«, erklärte er. »Mr. Farrington übergab es mir mit der strikten Anweisung, es den Testamentsvollstreckern oder einer anderen Person nicht eher zu übergeben, als bis ich ganz bestimmte Instruktionen von ihm
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