Das Geiseldrama
beschatten?“
„Ziehen wir die Sache anders
auf“, schlug Karl vor. „Wir nehmen seinen Freund Otto Görr unter die Lupe.
Vielleicht ergibt sich was, wenn der Molch dort erscheint.“
„Gute Idee!“ lobte Tarzan. „Weißt
du die Adresse?“
Karl wußte sie nicht. Aber sie
fanden Otto Görr, Immobilienbüro, im Telefonbuch. Er wohnte in der
Hermann-Straße.
„Das ist beim Seibold-Park“,
sagte Gaby. „Dort hatte ich, als ich acht war, eine Freundin. Aber die Familie
ist weggezogen.“
Tarzan sah auf die Uhr. „Für
das geschwänzte Mittagessen kriegen wir was drauf. Wenigstens zur
Arbeitsstunde, Willi, müssen wir pünktlich sein. Das heißt, jetzt geht nichts
mehr. Aber nach dem Abendessen drehe ich eine Runde um den Seibold-Park. Wer noch?“
Gaby konnte nicht, denn die
Glockners erwarteten für den Abend Besuch. Also würden die Jungs unter sich
sein.
Oskar winselte, als Tarzan und
Klößchen abfuhren. Tarzan winkte noch zweimal, und Gaby fragte sich, ob das ihr
oder ihrem Hund galt.
Karl ging mit ihr hoch in die
Wohnung, wo Frau Glockner das Abendessen für die Gäste vorbereitete. Karl
durfte was kosten. Dann machten beide Hausaufgaben, was nur die halbe Zeit
erforderte, denn sie teilten sich die Arbeit. Gaby machte Deutsch und Englisch,
Karl Physik und Chemie. Als Gaby seine Ergebnisse übernahm, verstand sie nicht
alles. Aber er erklärte es ihr.
Währenddessen saßen Tarzan und
Klößchen die Arbeitsstunde ab. Tarzan arbeitete konzentriert. Nichts konnte ihn
ablenken. Klößchen gähnte pro Minute dreimal und starrte die meiste Zeit aus
dem Fenster. Draußen neigte sich der Nachmittag. Es war immer noch heiß.
Braunes Licht füllte den Park.
„Terrorist müßte man sein“,
murmelte Klößchen schließlich. „Die arbeiten nicht. Und bei ihnen ist immer was
los.“
„Sag das nicht mal im Spaß“,
wies Tarzan ihn zurecht. „Diese Typen verursachen nur Unheil und Leid.“
„Wie der Molch“, nickte
Klößchen. Dann entdeckte er eine halbe Tafel Schokolade in seiner Mappe. Damit
überstand er den Rest der Arbeitsstunde ohne die Qualen des Hungers.
Das Abendessen fand im
Speisesaal statt, wo Hunderte von Schülern unterschiedliches Benehmen zeigten.
Heute war Thomas Weller EvD (Erzieher
vom Dienst), ein junger Studienrat, mit dem Tarzan sich sehr gut verstand.
Viele wußten inzwischen, daß er
beinahe einen Terroristen gefangen hätte. Weller verzichtete darauf, den beiden
Freunden wegen der versäumten Mittagsmahlzeit Vorhaltungen zu machen.
Klößchen stopfte soeben das
dritte Käsebrot in sich hinein.
„Entdeckst du Dikal irgendwo?“
fragte Tarzan leise.
„Nö. Nirgends.“
„Auch sein Wagen war nicht auf
dem Parkplatz. Also ist der Molch noch in der Stadt. Vielleicht sehen wir ihn
nachher bei Görr.“
Nach dem Abendessen holten sie
ihre Tretmühlen aus dem Fahrradkeller. Die Sonne stand tief, als sie über die
Zubringerstraße zur Stadt radelten. Unter den Chaussee-Bäumen tanzten
Mückenschwärme. Über die Felder breitete sich Abendstimmung.
Sie trafen Karl beim
Kino-Center und fuhren dann weiter zum Seibold-Park, wo es auch tagsüber ruhig
zuging. Jetzt herrschte dort Stille wie in einer Kirche. Es war ein vornehmes
Viertel: nur Wohngegend, ohne Geschäfte und Betriebsamkeit. Zu den Villen
gehörten Gärten mit altem Baumbestand. Und an einigen Ecken wußte man kaum: Was
war schon Privatgrund und was noch Seibold-Park?
Die Hermann-Straße mündete am
Park. Die drei Freunde radelten an hübschen Einfamilienhäusern entlang. Görrs
Adresse war ein moderner Bungalow. An der Gartenpforte war das Schild O. GÖRR
IMMOBILIEN.
Vor der offenen Garage stand
ein Zwölf-Zylinder-Jaguar. Dikals Wagen war nicht zu sehen.
„Ich dachte, der Molch wäre
hier“, meinte Tarzan enttäuscht.
„Vielleicht sucht er die Stadt
nach Steckbriefen ab“, vermutete Karl, „und vernichtet, was er findet. Wo hängt
man Steckbriefe aus? In öffentlichen Gebäuden. Also in Postämtern und
Bahnhöfen. Was meint ihr? Sehen wir uns dort um?“
„Zwecklos“, winkte Tarzan ab.
„Der ist ganz woanders. Ich möchte nur wissen, wo. Und vor allem: bei wem?“
*
Zwei Stunden später war die
Nacht angebrochen. Dunkelheit umhüllte den Seibold-Park, füllte die Lücken
zwischen Bäumen und Sträuchern und verwandelte die Wege in schwarze Schächte.
An der Parkstraße brannten nur
wenige Laternen. In einigen Villen war Licht. Aber der Schimmer aus den
Fenstern reichte kaum bis zur
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