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Das Geiseldrama

Das Geiseldrama

Titel: Das Geiseldrama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Hunderttausenden in der Stadt und im Umland — Schauder
über die Haut jagten.
    „...die Anruferin, die sich als
die Terroristin Francesca Oliviri von der Brigade Staatsfeind zu erkennen gab,
drohte mit einem vernichtenden Schlag gegen die Stadt innerhalb von 48 Stunden,
falls sich Polizei und zuständige Stellen weigern, den Terroristen-Chef Arved
von Lotzka freizulassen. Oliviri behauptet, Lotzka wäre letzte Nacht verhaftet
worden — zusammen mit seinem Komplicen Dr. Jens D., der als Lehrer an einer
hiesigen Schule tätig ist. Ein Sprecher des Polizei-Präsidiums teilte dazu mit,
über Lotzka sei nichts bekannt, weder habe man ihn festgenommen, noch verfolge
man seine Spur. Dr. Jens D. habe letzte Nacht einen schweren Autounfall
verursacht und befinde sich mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus.
Ob er Verbindung zu Terroristen unterhalte oder dem Sympathisanten-Kreis
zugerechnet werden müsse, werde zur Zeit noch überprüft. Hinweise hätten sich
nicht ergeben. Der Sprecher schloß nicht aus, daß es sich beim Anruf der Frau
um einen makabren (schaudererregenden) Scherz handele. — Sie hören jetzt
den Wetterbericht, ausgegeben heute um...“
    Görr schaltete aus.
    Offenen Mundes starrte er auf
die verchromten Apparaturen.
    Ein Scherz? Nein! Er wußte es
besser. Die Terroristen vermißten die beiden, die von dem Coup bei Hagedorn
nicht zurückgekehrt waren. Lotzka halbtot in der Hütte, Dikal halbtot auf der
Intensivstation.
    So also spielt das Leben,
dachte er. Nur ich weiß, wo Lotzka steckt, und bei der Polizei ringt man jetzt
vermutlich die Hände.
    Plötzlich wurde ihm klar, was
das bedeutete.
    Schweiß brach ihm aus. Er lief
ins Bad und wusch sich die Hände. Er wußte, was er zu tun hatte. Aber wieviel
sollte er verlangen?
    Seine Aufregung wuchs. Er
schwitzte jetzt am ganzen Körper. Schließlich stellte er sich unter die Dusche.
    100 000 Mark? Hm. Ein
Pappenstiel für die öffentliche Hand. Aber er wollte nicht unbescheiden sein.
    150 000? Er trocknete sich ab.
    Als er frische Wäsche anzog,
war er bei 200 000.
    Er griff zum Telefon, wählte
die Nummer des Polizei-Präsidiums und verlangte den „für die Sache Lotzka
Verantwortlichen“.
    Er wurde mit Kommissar Glockner
verbunden.
    „Warum ich meinen Namen nicht
nenne, werden Sie gleich merken“, sagte Görr. „Wenn ich die Sache richtig sehe,
sind Sie in Schwierigkeiten. Ich meine nicht Sie persönlich, sondern die Stadt,
die Polizei, die Verantwortlichen für Sicherheit und Ordnung. Die Terroristen
fordern die Freilassung von Arved von Lotzka, wie ich eben im Radio hörte. Aber
Sie haben Lotzka nicht.“
    „Und was haben Sie damit zu
tun?“ fragte Glockner.
    „Mir hat der Zufall zu einer
Information verholten, die ich Ihnen verkaufen möchte.“
    „Nämlich?“
    „Ich weiß, wo sich Lotzka
befindet.“
    „Gehören Sie zur Brigade
Staatsfeind?“
    „Um Himmels willen, nein. Ich
kenne die Typen nur vom Steckbrief. Aber den Lotzka habe ich gleich erkannt.“
    „Es ist Ihre Pflicht“, sagte
Glockner, „uns sein Versteck zu nennen. Die Terroristen sind überzeugt, wir
hätten ihn verhaftet. Was aber nicht zutrifft, wie Sie ja wissen.“
    „So habe ich’s mir gedacht.
Selbst wenn Sie wollten, könnten Sie nicht auf die Forderung eingehen. Die
Terroristen glauben der Polizei natürlich kein Wort. Also ist zu befürchten,
daß sie tatsächlich zu ihrem vernichtenden Schlag ausholen — was auch immer das
sein mag. Wie schön, daß ich meiner Vaterstadt gefällig sein kann. Aber Lotzka
kostet eine Kleinigkeit. Ich betrachte das als eine Vermittlungsgebühr. Sagen
wir 250 000 Mark.“
    „Das ist viel Geld für einen
Hinweis, den wir erst im Nachhinein überprüfen können.“
    „Jetzt kostet er 300 000.“
    „Allein kann ich das nicht
entscheiden. Die Krisensitzung ist für 13 Uhr angesetzt. Können Sie um 13.30
Uhr nochmal anrufen? Dann sage ich Ihnen Definitives (Endgültiges).“
    „In Ordnung.“ Görr legte auf.
    300 000!
    Er spürte: Das Geld war ihm
sicher.
    Aber jetzt mußte er sich die
Möglichkeit einer gefahrlosen Übergabe einfallen lassen. Schließlich war das
eine Art Lösegeld. Erwischen durften sie ihn nicht.
    Überhaupt: Um Lotzka mußte er
sich kümmern. Vielleicht lebte der gar nicht mehr. Das wäre eine Katastrophe.
Für einen Toten würde niemand 300 000 Mark Lösegeld bezahlen. Und der Himmel
mochte wissen, wie sich die Sache dann entwickelte.
    Sein Blick fiel auf die
Tageszeitung. Ungelesen lag sie auf

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